Kultur im Südbahnhof Kulturszene hängt allesamt am seidenen Faden

Krefeld · Wenn die Krefelder nicht die hiesigen Clubs, Ateliers und Ausstellungen besuchen können, kommen die Kulturschaffenden eben per Internet zu ihnen.

Mit gebührendem Sicherheitsabstand geht das kreative Team im Südbahnhof auf Sendung. Mit dabei  (v.l.): Till Menzer (Drums), Ben Nowarra (Kamera), Moderator Bastian Vogel, Jan Mokros und Kim Schwerm im Chat mit dem Publikum.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Knifflig: Das Lösungswort des abschließenden Spiels bildete den thematischen Überbau der Sendung „Allesamt am seidenen Faden“. Musiker und Moderator Bastian Vogel sowie die freie Künstlerin für Illustration, Wienke Treblin, warfen Tennisbälle auf Plakate, die mittlerweile abgesagte Events ankündigen. Bei jedem Treffer wurde ein weiterer Buchstabe sichtbar. Ein Zuschauer hatte die Lösung rasch parat: Existenzbedrohung.

Seit die Regierung das Land mit weitgreifenden Maßnahmen wegen Corona weitgehend stillgelegt hat, fürchtet auch die Krefelder Künstlerszene um hohe Einbußen oder sogar noch mehr: Es geht für manche ums Überleben, wenn die Aufträge und Auftritte wegbrechen. Einmal pro Woche wollen Vertreter der Szene nun mit der Direktübertragung „Allesamt am seidenen Faden“ aus dem Südbahnhof in die Wohnzimmer der Krefelder Kulturschaffenden, über ihre Probleme reden und einen Raum für Austausch schaffen, wie es Mitorganisator Malte Menzer nennt. Natürlich immer im derzeit gebotenen Mindestabstand zueinander. Ziel sei es, Leute aus der Veranstaltungsbranche und freien Kunstszene zu unterstützen. Am Samstagabend ging es mit der „Episode 1“ gleich los.

Als Gast der ersten Ausgabe erzählte die Kuratorin Wienke Treblin, wie sie überlegt, die Reihe „KunstImPuls“ nun auch im Internet anzubieten, wenn schon draußen nichts mehr geht. Mit Rückblicken auf vergangene Arbeiten im Netz. Die Online-Kommunikation habe in Corona-Zeiten enorm zugenommen, so die Illustratorin, die wegen des vielerorts ruhenden Betriebes auch feststellt: „Entschleunigung ist ein einsames Feld. Immer zu Hause sein zu müssen ist nicht das, was man sich wünscht.“

Austausch mit den Zuschauern während der gesamten Sendung

Die Sendung hatte begonnen mit einer Musikeinlage. Moderator Bastian Vogel – charmant unterstützt von Kim Schwerm, die die sozialen Netzwerke bediente – führte durch die zwei Stunden. Er, eigentlich als Gitarrist und Musikpädagoge unterwegs, dankte in seinen einleitenden Worten dem jüngst verstorbenen Sänger Bill Withers („Ain’t no sunshine“), ehe er in einem nachgestellten Retro-Wohnzimmer als Kulisse auf die Krise zu sprechen kam. Nicht ohne politische Botschaften durch den digitalen Äther zu schicken: „Fünf vor zwölf“, sagte er, „reicht nicht mehr aus, um die Komplexität der Probleme zu beschreiben.“ Das Virus übertrage sich vom Tier auf den Menschen. Deshalb müsse es mehr Schutzräume für Artenvielfalt geben.

Der Umweltpädagoge Gabor Kiss durfte in einem kurzen Film die Vorzüge von Bäumen für die Luftreinheit erklären. Malereien von Thomas Buchta wurden eingeblendet. Dazu gab es Bilder aus der verlassenen Kufa, mit einer Grußbotschaft einer Mitarbeiterin. In „Holgers Gaming Blog“ wurde das Videospiel „Mutazione“ vorgestellt. Etwas Zerstreuung für die freie Zeit allein zu Hause. Andreas Rieger lud die Zuhörer dazu ein, selbst aufgenommene Musik-Schnipsel von Beethovens „Freude schöner Götterfunken“ einzusenden. Eine Melodie aus fünf Tönen, die der Musiker auf verschiedenen Instrumenten interpretierte.

Die erste Sendung war aber auch gleichzeitig eine Kontaktbörse für Hilfesuchende. Eine Ärztin warb via Kurzvideo um Mitbewohner für ihre Wohnung in Fischeln. Die Emmaus-Gemeinschaft bat um Unterstützung, seit ihr Secondhand-Markt geschlossen wurde. Nun braucht der gemeinnützige Verein Hilfe für seine Essenspakate für Obdachlose. Zu sehen war außerdem in einem Film von Makersvsvirus.org, wie Schutzmasken binnen zwei Stunden in 3D-Druckern entstehen. In der kommenden Woche will man sich im Südbahnhof wiedersehen, wenn auch nur via Livestream. „Nutzt die Zeit, genießt die Stille und den Frühling“, sagte Bastian Vogel zum Ende.