TIERWELT Familienglück der Moschusochsen
Krefeld · Nach mehr als zehn Jahren erlebt der Zoo, wie Jungtiere spielend durchs Gehege jagen.
Ein tiefes grummeliges Brummen macht sich im Gehege der Moschusochsen breit. Der Herr Papa ist nicht gut drauf. Als sich der Koloss zur Futterstelle bewegt, geht ihm eine seiner Gefährtinnen, die eigentlich gerade Heu fressen wollte, aus dem Weg. Beiläufig riecht der Bulle an ihr. „Hadi ist gerade schlecht gelaunt, eines der Weibchen ist wieder heiß“, erklärt Tierpflegemeister Wolfgang Giebels das laute Grollen des Fünfjährigen. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass es im kommenden Jahr wieder Nachwuchs gibt.
Ein schüchternes Mädel
und eine wilde Hilde
Derzeit freuen sich Giebels und seine Kollegen aber erst einmal über die aktuellen Jungtiere. Das erste Mal seit mehr als zehn Jahren jagen zwei kleine Moschusochsen sich gegenseitig durch die Anlage. Ragna (geboren am 20. Mai) rast gerne durchs Gehege. „Das war schon beim ersten Mal so, als sie nach draußen kam, da hat sie Vollgas gegeben“, sagt Giebels lächelnd. „Das ist eine wilde Hilde.“ Halbschwester Nya (geboren am 9. Juni) sei im Vergleich eher „ein bisschen schüchtern“. Wenn sie keine Lust mehr zum Spielen habe, stelle sie sich wieder zur Mutter oder in eine Ecke.
Die Mädels sind gesund und munter. „Das ist toll. Wir sind sehr froh“, sagt Giebels über den Zuchterfolg. Das war früher in Krefeld keine Seltenheit. „Aber dann ist die Zucht eingebrochen, auch aus Altersgründen“, sagt der 59 Jahre alte Tierpflegemeister, der seit 40 Jahren im Krefelder Zoo arbeitet. Auch in der neuen Gruppe aus Hadi, der wie Weibchen Luna (5) vor drei Jahren nach Krefeld kam, und Malaat (3), die vor zwei Jahren in den Zoo zog, wollte es zu Beginn nicht so recht klappen. Es gab Geburten, aber die Kleinen waren nicht überlebensfähig. „Ich dachte schon, dass Luna womöglich einen Gen-Defekt hat“, blickt Giebels zurück. Denn Luna hat deformierte Hufe.
Fingerspitzengefühl bei der Zusammenführung der Herde
Aber nun ist Ragna da. Lediglich bei der Frage, wie man mit der Familienzusammenführung der alten und frischen Mitglieder der Herde vorgehen soll, spielten Lunas Probleme noch mal eine Rolle. „Wir haben lange gegrübelt, ob wir erst die Weibchen zusammenführen oder wie wir es machen“, sagt Giebels, „nach so einem Erfolg will man sich ja nicht alles zunichte machen – da war Fingerspitzengefühl wichtig.“ Die Sorge bestand, dass die Kälber zu den falschen Müttern gehen. „Und Malaat ist etwas agiler und massiver als Luna. Was wäre gewesen, wenn sie das fremde Kalb gejagt hätte und Luna wäre nicht mitgekommen?“, erklärt Giebels.
Die Pfleger haben entschieden, erst einmal Luna und ihr Kalb im Turnus mit dem Bullen rauszulassen. Das ging drei Monate so, bevor die drei gemeinsam an die frische Luft kamen. Erst vor zwei Wochen kamen auch Malaat und Tochter Nya dazu.
Die Halbgeschwister fressen jetzt bereits festes Futter, trinken nur noch gelegentlich bei ihren Müttern Milch, die „extrem fetthaltig ist, wie bei Eisbären und Robben“, sagt Giebels. Das Geräusch, das sie dabei machen, ist eine wichtige Hilfe für die Pfleger. Denn durch das dichte Deckhaar der Tiere ist bei diesen sogenannten Schafs
ochsen nicht zu sehen, ob die Kinder wirklich trinken beziehungsweise die Mütter wirklich Milch geben können. „Das ist anders als bei anderen Huftieren. Aber auf jeden Fall ist es möglich zu hören, wenn keine Milch rauskommt. Dann ist das ein Geräusch wie bei einem Strohhalm, mit dem der Boden eines Glases leer gesaugt wird“, berichtet der Experte.
Mit Argusaugen wurde auch zu Beginn darauf geachtet, dass die Kleinen nicht nass werden. Zur Sicherheit sowieso erst nach zehn Tagen aus dem Stall gelassen, wo es von den Pflegern auch Nahrungszusatzstoffe gab, mussten die kleinen Moschusochsen bei dem kleinsten Verdacht auf Regen zurück in den Stall. Denn ihr Fell ist noch nicht wasserabweisend, wenn sie auf die Welt kommen. „In 95 Prozent der Fälle bekommen sie sonst eine Lungenentzündung“, sagt Giebels. In ihrer Heimat Grönland sei Niederschlag eher selten.