Niederwald ist die Heimat von Nachtigall und Neuntöter

Fünf Prozent ihrer Forstfläche nutzt die Stadt für eine ökologische Bewirtschaftung. Die nutzt Mensch, Flora und Fauna.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. So ändern sich die Zeiten. Heute dient der Krefelder Wald fast ausschließlich der Erholung der Bürger und dem Naturschutz. Dieser Luxus blieb früheren Generationen verwehrt. Noch bis in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts stand die Nutzfunktion der Forstflächen im Vordergrund, überwiegend in Form der sogenannten Niederwaldwirtschaft.

Das Holz wurde jahrhundertelang verwendet als Brennstoff, Baustoff und Futterquelle für das Vieh. „Als vor 60 Jahren die Öl-Frachter aus Saudi-Arabien in Rotterdam anlegten und die Gaslieferungen aus Russland kamen, war das vorbei, und die Niederwaldwirtschaft brach völlig zusammen“, erzählt Stadtförster Arno Schönfeld-Simon.

Seit 20 Jahren setzt er sich für die und mit der Stadt Krefeld für eine ökologische Waldbewirtschaftung ein und hat dabei Mitstreiter wie Dr. Paul Nothers. Der ist vor kurzem für sein jahrzehntelanges Engagement im Bereich des Umweltschutzes in Krefeld mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden (die WZ berichtete).

Auf rund acht Prozent der Krefelder Stadtfläche bereitet sich Wald aus, vorwiegend im Westen, von Forstwald bis Orbroich. Insgesamt 1000 Hektar Fläche sind kartiert, rund 800 Hektar davon sind im städtischen Besitz. Der Rest ist Privatwald, ein kleiner Anteil ist Bundeswald. Ohne eine weitsichtige Planung würden diese Flächen in naher Zukunft verschwinden, durch überalterte Bäume und veränderte Umweltbedingungen, durch weiteren Flächenbedarf der Landwirtschaft und des Städtebaus.

Die Stadt Krefeld hat deshalb in Zusammenarbeit mit Naturschutzverbänden vor 20 Jahren ein Gutachten in Auftrag gegeben, es um ein Bodengutachten erweitert und daraus ein Gesamtkonzept für eine ökologische Waldbewirtschaftung entwickelt.

80 Hektar sollten ursprünglich wieder als Niederwald bewirtschaftet werden. „Es hat sich jedoch gezeigt, dass dafür nur noch 40 geeignet sind“, sagt Umweltdezernent Thomas Visser. 20 Hektar davon sind inzwischen realisiert worden. Die dortigen Bäume sind erneut auf Stock gesetzt worden und können nun in Ruhe wieder für die nächsten 30 bis 40 Jahre wachsen.

1997 wurde Krefeld vom Naturschutzbund als eine der ersten Städte in Deutschland als „Naturwald-Gemeinde“ ausgezeichnet, weil es im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen bei der Waldbewirtschaftung langfristige und nachhaltige Ziele verfolge. Damit war Krefeld Vorreiter. „Inzwischen gibt es eine Arbeitsgemeinschaft Großstadtwald, zu dem Städte wie Düsseldorf, Köln, Duisburg, Münster, Dortmund und Aachen zählen“, berichtet Visser.

„Das Besondere an Krefelds Niederwald ist die Unterpflanzung mit Sträuchern wie der Haselnuss“, sagt Arno Schönfeld-Simon. Beispielsweise im Hülser und Orbroicher Bruch. Die Haselnussgerten wurden früher in der hiesigen Textilindustrie als „Färberknüppel“ eingesetzt.

Vor allem in den wasserhaltigen Bruchgebieten wie Hülser Bruch und Orbroich haben sich typische Pflanzen wie Schwertlilie, Wiesenschaumkraut, besondere Seggenarten im Laufe der Zeit dazugesellt. „Dort sind auch seltenere Vogelarten zu finden, wie Dorngrasmücke, Nachtigall und Neuntöter“, erzählt der Stadtförster. Auch das liegenbleibende Totholz biete geschützten Lebensraum für weniger mobile Tiere wie zum Beispiel Laufkäferarten.

Wegen des Absinkens des Grundwasserspiegels vor allem in den Bruchgebieten geht die Stadt Krefeld von der Niederwald- stellenweise über zur Mittelwaldbewirtschaftung. Die neuen Äste können somit in Ruhe länger und damit auch stärker wachsen.

„Diese Form der alten Waldbewirtschaftung macht Krefeld aus musealen und ökologischen Gründen“, sagt Visser, „nicht aber aus finanziellen Gründen.“ Bei jungem Mischwald zähle eh nur der Bodenwert, bei einem 200 Jahre alten Wald liegt der Erlös bei 50 Cent bis 1,80 Euro pro Quadratmeter. Doch so alten Waldbestand gibt es in Krefeld schon lange nicht mehr.