Kaiser Wilhelm Museum Retrospektive: Volker Döhne - Ein Fotograf auf den Spuren der Zeit

Krefeld · Erst im Rentenalter erhält der Hausfotograf Volker Döhne die längst fälligeRetrospektive im Krefelder Kaiser Wilhelm Museum. Dabei hatte er alle Chancen für eine Karriere.

Volker Döhne im Kaiser-Wilhelm-Museum.

Foto: Strücken, Lothar (sl48)

Seit wenigen Tagen hat Volker Döhne das Rentenalter erreicht und kommt endlich groß heraus. Im Kaiser Wilhelm Museum erhält er die längst fällige Retrospektive. Wenige Tage zuvor bildete er den Mittelpunkt in Köln, wo er dem römischen Limes nachgegangen war und diese „Grenzgänge eines Fotografen von Bonn bis Xanten“ im Greven Verlag herausbrachte. Ein Fotograf, der nicht den Mut hatte, beizeiten den Eltern zu widersprechen und den Beruf des freien Künstlers zu ergreifen. Jetzt holt er alles nach.

Dabei hatte er alle Chancen für eine Karriere, gehörte er doch zu den ersten Studenten der Becher-Klasse an der Düsseldorfer Kunstakademie, mit späteren Stars wie Andreas Gursky und Thomas Struth. Immerhin brachte er den ersten Museumskatalog für seinen einstigen Kommilitonen Gursky heraus, denn Döhne wurde 1980 Hausfotograf und Grafiker in den Krefelder Kunstmuseen. Erst 38 Jahre später lobt ihn seine Chefin Katia Baudin für seinen Blick im Stil der Neuen Sachlichkeit.

Stille Örtchen lehnte sein Lehrer Bernd Becher als Motiv ab

Döhne stammt aus Remscheid. Der Vater war Bauingenieur und brachte ihm das räumliche Denken bei. Der Urgroßvater hatte als Schmied in einem Kotten eine Firma gegründet und Küchenmesser und Sägen produziert. So etwas interessierte seinen Lehrer Bernd Becher, der ja ebenfalls seinen Aufstieg dem Blick auf seine Heimat im Siegerland verdankte.

Der Fotograf und Grafiker Volker Döhne, der zu den ersten Studenten von Bernd Becher an der Kunstakademie Düsseldorf gehörte, kommt seit 1976 beiden Aufgaben mit Präzision und Leidenschaft nach. Hier ein Blick auf die Krefelder Rheinstraße, 1990.

Foto: Döhne

Becher war streng. Ihm passte nicht alles, was sein Student ihm vorlegte. Schade, dass er die „Stillen Orte“, diese Ein-Personen-Gebäude mit den windschiefen Dächern und den Belüftungslöchern aus dem Bergischen Land nicht mochte. Spitz meinte Becher: „Such dir ein anderes Thema aus“. Der Student gehorchte. Er schob die Bilder in die unterste Schublade und holte diese aus der Zeit gefallenen Bilder erst jetzt hervor.

Dieser Künstler, der als Schriftsetzer mit Bleisatz begonnen hatte und neben der Fotografie auch Typographie und Buchgestaltung bei Tünn Konerding studierte, liebt keine effektvollen Themen. Kleine Eisenbahnbrücken genügen ihm als Motiv. Als er 1979 seine erste Einzelausstellung erhielt, geschah dies in einem Düsseldorfer Friseursalon.

Man nehme das Motiv von vorn und von rückwärts auf

Seine Bildauffassung ist geblieben. Man nehme das Motiv frontal, von vorn und von rückwärts, um zwei Ansichten der Brücke zu erhalten. Als er jetzt vom Kaiser Wilhelm Museum Abschied nahm, peilte er den Westwall an. Dazu musste er nur vors Haus treten. Seit 1980 tat er das. In den ersten Jahren ging er rechts herum, mit dem Wohnungswechsel 1984 lief er links herum. Die Sicht des Fußgängers gehört seitdem zu seinem Programm.

Ein Stop und Go wie in der Stop-Motion-Technik des Films

Es ist Stop and Go. Filmer würden es Stop-Motion-Technik nennen. In der Regel macht er die Aufnahmen sonntags früh, wenn das Wetter mitspielt und die Mitbürger noch schlafen. Dann richtet er die Kamera auf die Häuser und die Lücken dazwischen, von denen es in der ehemaligen Seidenstadt noch viele gibt.

Aus der Studentenzeit stammt die Serie „Ohne Titel, bunt“. Es war die Zeit, als die Autos plötzlich knallbunt waren. Lustig, froh und heiter wirken diese Bilder. Sie haben als Dias überlebt, denn abermals mäkelte sein Lehrer, der selbst Probleme mit der Farbe hatte. Wieder nahm sich Döhne die Kritik zu Herzen, verstaute die Dias, um sie erst 2016 einzuscannen und zu vergrößern.

Eigentlich gibt es bei diesem liebenswürdigen Menschen nur zwei Schaffensphasen. Die erste begann im Studium und dauerte bis 1995. Dann kam die Zeit, wo er die alten Eltern versorgen musste. Richtig frei fühlt er sich erst jetzt. Nun holt er Schätze wie die „Rheinstraße“ von 1990 hervor, deren Hausfassaden sich kaum verändert haben.

Die Vergangenheit ist für ihn immer auch ein Zeichen der Vergänglichkeit. Leise Melancholie schwingt mit, wenn er die Schwarzweiß-Serie „Rückzug“ (2013) belichtet. Die Kleinbetriebe können die Gleisanschlüsse nicht mehr halten, sie werden längst rund um den Hauptbahnhof von der Natur vereinnahmt.

Die Bildfindung als Reise in die Vergangenheit und Gegenwart

Ähnlich ist es mit den „Pfaden“ (2015), diesen unspektakulären Wegen links und rechts eines Grünstreifens. Nur wer das Wandern liebt, entdeckt sie jenseits der Autopiste und hält sie fest.

„Sucher und Finder“ heißt die Ausstellung. Fotografie ist für Döhne eine Erkundungsreise in die Vergangenheit und Gegenwart. Das Gros seiner Bilder entsteht in Handabzügen und ist per Hand gerahmt. Es gibt sogar Bücher, in denen die Bilder wie im Poesiealbum abgezogen und eingeklebt sind. Bescheiden und doch groß ist, was dieser Wahl-Krefelder Künstler macht. Ohne seine Bilder könnten wir den Lauf der Zeit vor Ort kaum verfolgen.