Musikszene Sängerin Antje Schomaker im Interview: „Das Leben ist kein Tomte-Song“

Krefeld · Interview Sängerin Antje Schomaker über ihre Schulzeit in Krefeld, Vorbilder, Helden und Halunken, den schlechten Ruf des Deutsch-Pops, aber vor allem über ihre Liebe zur Musik.

Bei ihren Live-Auftritten wird Antje Schomaker von einer Band unterstützt.

Foto: Nils Lucas

Antje Schomaker wusste schon früh, was sie will: Nach dem Abi an der Waldorfschule Krefeld zieht sie nach Hamburg, um dort Musikwissenschaften zu studieren. „Das Studium habe ich eher nebenbei gemacht, es ging mir hauptsächlich darum, Musik zu machen“, sagt sie heute. Anfang des Jahres hat die 26-Jährige ihr erstes Album veröffentlicht, vor kurzem einen Song mit Revolverheld aufgenommen und vor wenigen Tagen ihre erste Tour beendet. Mit der WZ blickt die 26-Jährige zurück – und nach vorne.

Frau Schomaker, Ihr Debütalbum heißt und handelt „Von Helden und Halunken“. Haben Sie die in Krefeld getroffen?

Antje Schomaker: In meiner Zeit in NRW habe ich zwar auch Songs geschrieben, aber das waren meine ersten Gehversuche als Songschreiberin. Die elf Tracks vom Album sind entstanden als ich schon ein paar Jahre in Hamburg war, aber natürlich verarbeite ich darin auch Erlebnisse aus meiner Schulzeit in Krefeld, Erinnerungen an meine Heimat und das Weggehen aus dieser. Ich musste weggehen, um vielleicht auch zu merken, dass es gut war, was ich hatte. Menschen, die ich verloren habe, als ich noch Zuhause lebte, Menschen die mir erst auf die Distanz nah wurden. So was habe ich noch aus meiner Heimat mitgenommen und in Songs verpackt.

Wer sind Ihre Helden?

Schomaker: Meine Helden sind Menschen, die sich für den richtigen und nicht für den bequemeren Weg entscheiden und sich für das Gute einsetzen. Menschen, die mitdenken, hinsehen und handeln. Meine ganz persönliche Heldin ist meine Mutter, die komme was wolle, hinter mir steht und mir ein Vertrauen schenkt, das mich wachsen lässt und mich bestärkt, in dem, was ich bin.

Sie haben in Krefeld die Waldorfschule besucht und später fürs Kresch Theater gespielt. Warum sind Sie Musikerin und nicht Schauspielerin geworden?

Schomaker: Die Schauspielerei war für mich auch interessant. Aber abgesehen davon, dass ich das, meiner Meinung nach, einfach nicht so gut kann, war es für mich auch reizvoller, eigene Kunst zu erschaffen, anstatt die Kunst anderer Leute zum Leben zu erwecken.

Sie sind nicht nur Musikerin, sondern auch Musikwissenschaftlerin. Ist Musik Ihr Leben?

Schomaker: Um mich musikalisch zu finden und zu formen, brauchte ich Zeit und die hat mir mein Studium gegeben. Die Musik war in meinem Leben durchgängig immer da, das hab ich nie hinterfragt. „Musik ist mein Leben“, das klingt immer so kitschig, aber vielleicht ist es einfach so, ja.

Deutsche Popmusiker haben es seit Jan Böhmermanns Beweis, dass auch die Schimpansen im Gelsenkirchener Zoo im Stil von Max Giesinger musizieren können, nicht gerade leicht. Wie stehen Sie dazu – und warum machen Sie (trotzdem) welche?

Schomaker: Natürlich hat Jan Böhmermann da einen Nerv getroffen und ich stimme ihm auch dahingehend zu, dass es nicht okay ist, etwas als selbst geschrieben hinzustellen, wenn aber von anderen Leuten viel mitgeschrieben wurde. Da verlieren vor allem die Künstler, die wirklich alles selbst schreiben, denen wird dann auch „Menschen, Leben, Tanzen, Welt“ hinterher gerufen. Dass diese austauschbare Popmusik unter die Lupe genommen wird, ist gut, aber dann sollte auch genau hingeschaut werden, bevor man blind abstempelt. Ich mache Deutschen Indiepop, weil es aus mir herauskommt, das werde ich nicht verändern oder aufhören, weil irgendein Fernsehmoderator einen Song mit Affen schreibt. Nach Milli Vanilli haben ja auch nicht alle aufgehört englische Popmusik zu machen.

Auf Ihrer Homepage sagen Sie über Ihre Musik: „Ich hinterfrage wenig, bin so ehrlich wie möglich und dass das auf Deutsch passiert, war ganz selbstverständlich. Ich sammle überall Worte, zum Beispiel wenn jemand etwas besonders Schönes sagt, und benutze manche Worte nie, weil ich sie hässlich finde.“ Können Sie da mal Beispiele nennen?

Schomaker: Ich notiere mir vieles im Alltag, packe viel in meine Taschen, was meine Freunde mal schön sagen – das findet dann den Weg in meine Lieder. Zum Songschreiben gehe ich nicht in den Gelsenkirchener Zoo, sondern unterhalte mich und höre hin. Hässliche Worte gibt es auch ein paar, ich sag’ jetzt einfach mal: Warze.

„Das Leben ist kein Tomte-Song, vergiss die Poesie“ – trifft das auch auf Ihre Musik zu? Wer sind Ihre musikalischen Vorbilder? (Tomte ist eine deutschsprachige Indie-Rock-Band aus Hamburg, Anm. d. Red.)

Schomaker: Musikalische Vorbilder so direkt habe ich keine. Aufgewachsen bin ich mit Wir Sind Helden, Bosse, Clueso, Gisbert zu Knyphausen, Boy, Coldplay. Woran ich mir gerne ein Beispiel nehme, sind Karrierewege. Ich bewundere Musiker, die langsame Wege gehen, nachhaltig aufbauen und beständig bleiben.

„Liebe auf Distanz“ heißt der Song, den sie jetzt mit Revolverheld aufgenommen haben. Spielen da die eigenen Erfahrungen aus dem schnelllebigen und stressigen Tour-Leben hinein? Wie hat sich Ihr Leben durch die Musik verändert?

Schomaker: Johannes hat mich angerufen und gefragt, ob ich den Song mit ihnen singen möchte. Wir kannten uns schon eine Weile aus Hamburg und ich hab’ mich natürlich gefreut als er sagte, dass sie Fans meines Albums sind und mit mir zusammen arbeiten wollen. Auch ich kenne das Thema Fernbeziehung, die Musik verändert das Leben insofern, dass man viel unterwegs ist und das eigene Privatleben plötzlich sehr gut koordinieren lernen muss.

Die „Von Helden und Halunken-Tour“ haben sie am 20. Oktober beendet. Was sind Ihre Pläne – neues Album, neue Tour, erst mal Urlaub?

Schomaker: Gerade habe ich viel Zeit, um neue Songs zu schreiben und wir planen Tour-Termine für 2019. Ein Heimspiel in Krefeld wäre schon toll!