Flucht Schüler diskutieren über Abschiebungen

Im Gymnasium am Stadtpark tauschten sich die Teilnehmer eifrig über die Themen Integration und Flucht aus.

Krefeld. „Zwischen Willkommenskultur und Feindseligkeit“ — so lautet der Name des Projektkurses, in dessen Rahmen sich die Schüler der Stufe elf in den vergangenen Monaten dem Thema Flucht und Migration in Vergangenheit und Gegenwart zugewandt haben. Um Kontakte zu gleichaltrigen Geflüchteten zu schaffen, organisierten die Schüler zwei Treffen mit unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen in Uerdingen und freundeten sich mit ihnen an. Als Abschluss dieser Projektreihe sollte die von den Schülern ausgerichtete Podiumsdiskussion dienen, die einen besonderen Fokus auf den Krefelder Raum, die hier lebenden Flüchtlinge und deren Integration legte.

Die Diskussionsteilnehmer Nicole Specker (SPD-Kandidatin für den Deutschen Bundestag), Ansgar Heveling (CDU, MdB), Hansgeorg Rehbein (Flüchtlingskoordinator der Stadt Krefeld) und Oliver Dröge (Diakon der Gemeinde St. Nikolaus) lobten dabei besonders die herausragende Krefelder Willkommenskultur, die sich im letzten Jahr abgezeichnet habe. „Wir hatten neben der Flüchtlingswelle in Krefeld noch eine zweite Welle. Eine Welle der Toleranz, der ehrenamtlichen Arbeit“, sagt Rehbein. Bis heute habe er weit über tausend Ehrenamtler in seinen Akten registriert. Dass es allerdings ein langer Weg vom ersten Ankommen bis hin zur wirklichen Teilhabe an der Gesellschaft ist, wissen die Diskutanten nur zu gut.

Nicole Specker fordert daher eine Bildungsoffensive, die nicht nur Flüchtlinge mit einschließt: „Bildung ist die erste und wichtigste Qualifikation und dabei dürfen wir auch nicht die Menschen vernachlässigen, die hier geboren sind und Bildungsdefizite aufweisen.“ Sie fordert außerdem, ein Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen. So könne auch die Einwanderung von hoch qualifizierten Facharbeitern langfristig veranlasst werden.

Oliver Dröge, Diakon der Gemeinde St. Nikolaus

Ansgar Heveling von der CDU sieht die größte Herausforderung für die Zukunft der Flüchtlingsfrage darin, eine europäische Kooperation zu gewährleisten: „Ich habe das Gefühl, dass noch nicht alle Mitglieder der EU verstanden haben, dass wir eine gesamteuropäische Lösung brauchen.“ Er befürchtet, dass die kommenden Jahre mit noch mehr Flüchtlingsströmen vor allem aus dem afrikanischen Raum gerechnet werden muss. Specker schlägt vor, ein quid-pro-quo-System als Lösung unter den Mitgliedsstaaten einzuführen. „Gegenleistungen können dann nur diejenigen Staaten erwarten, die auch ihre Vorgaben erfüllen.“

Die Diskutanten sind sich in diesem Punkt einig: was es braucht, ist eine europäische Solidarität. „Die Entsolidarisierung und Renationalisierung in Europa und der ganzen Welt macht mir große Sorgen“, so Rehbein. Auch für Diakon Oliver Dröge gibt es keine Lösung der Flüchtlingsfrage ohne Europa: „Es geht hier auch um eine europäische Verantwortung, Fluchtursachen zu bekämpfen, und dafür bedarf es einer solidarischen europäischen Gemeinschaft.“ Auch das Thema Abschiebung kommt im Lauf der Diskussion zur Sprache. Fehler auf Seiten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge werden ebenso kritisiert wie die langen Warte- und Duldungszeiten, bis die Bescheide bei den Geflüchteten eingehen. Unverständnis bekunden die Diskutanten dabei vor allem für die Abschiebung von Flüchtlingen, die eine sehr gute Integrationsleistung zeigen.

Während hier die Diskussionsrunde ein Einzelschicksal und damit die Sicht eines betroffenen Flüchtlings vermissen lässt, wird diese Perspektive in der Fragerunde zum Thema. Ein Ehrenamtler meldet sich zu Wort und erzählt die Geschichte eines 13-jährigen Mädchens, das ein Jahr warten musste, bis es von einem Flüchtlingslager nahe Athen nach Krefeld zu seiner Mutter geholt werden konnte. Die betroffene Reaktion des Publikums zeigt vor allem eins: Zu einer gelungenen Integration gehört nicht über Flüchtlinge zu diskutieren, sondern auch mit ihnen über ihre Geschichte zu sprechen. Die Schüler des Gymnasiums am Stadtpark haben sich im Rahmen ihres Projektkurses beidem erfolgreich gewidmet.