Schunkeln, tanzen, singen

Auch in den Stadtteilen geht’s beim traditionellen Altweibertreiben wieder einmal so richtig rund.

Die pure Angst ist Bezirksvorsteher Wolfgang Merkel gestern kurz vor elf Uhr anzusehen. „Muss ich mich heute von Frauen unterbuttern lassen?“, fragt er. „Ich setze mich bis zum Letzten für den Rathausschlüssel ein.“ Da hat er den Kampf ohne die Weiber in Bockum (WIB) gemacht: Nach vier Minuten haben sie den Schlüssel in der Hand, nach weiteren 15 weht die Spitzenhöschen-Fahne auf dem Dach des Rathauses. Altweiber helau! Sylvia Nebrich und Heike Lemmens sind die Anführerinnen der WIB und haben sich einen sicheren Angriffsplan ausgedacht. Mit lautem Geschrei und schrillen Pfeifen stürmen sie und ein Dutzend weitere weibliche Wilde um 11.11 Uhr auf das Rathaus zu.

„Ihr habt keine Chance“, rufen sie. „Den Schlüssel her, wir wollen ‘rein, Weiber an die Macht.“ Kein Schlips ist vor ihnen sicher. Merkel hat auch mit Hilfe seiner Politiker-Kollegen, von Bezirksverwaltungs-Chef Thomas Pluschkell und drei Polizisten, die ihn tapfer unterstützen, das Nachsehen. „Ich gebe mich geschlagen“, sagt er bald. „Ich glaube, ich gründe eine Selbsthilfegruppe. Wenn selbst das Bestechen mit Bützchen nicht hilft“, sagt er resigniert. „Wieso erkennen Sie mich immer?“, möchte er wissen. „Ich trage jedes Jahr ein anderes Kostüm. Diesmal bin ich ein Scheich.“

Die diesjährige Verkleidung hat ihren Grund: „Im Graben von Haus Sollbrüggen liegen so viele Blätter. Die Gasentwicklung dort könnte zur Energiewende beitragen. Ihr könntet ins Energiegeschäft einsteigen anstatt ins Rathaus“, findet der Bezirksvorsteher. „Oder Politesse an Haus Neuenhofen werden. Da gibt es so viele Falschparker. Eure Zeit im Rathaus ist bis Aschermittwoch sowieso begrenzt.“ Die Weiber lassen sich auf nichts ein. „Wir haben nicht nur heute die Macht“, erklärt Nebrich. „Wir haben sie doch eigentlich immer.“ Als Trost für die Niederlage überreicht sie Orden an Merkel und Pluschkell.

Foto: Andreas Bischof

Mit einem fröhlichen „Denn mir sin Bockumer Mädcher, hann Spetzebötzjer an . . .“ geht es die Treppen hoch zum Hissen eines solchen auf dem Dach. Die dicht gedrängt stehenden Besucher, allesamt in klasse Kostümen wie Einhorn, männliche Oma oder weiblicher Käfer, haben ihren Spaß. Sven Dörkes ist als Pirat aus Oppum gekommen und freut sich auf die erste Altweiber-Party des Tages. „Anschließend gehe ich nach Oppum.“ Vanessa Krause ist in ihrem Dinosaurier-Kostüm richtig angezogen für die kalten Temperaturen. „Es ist doch super, wenn die Frauen an die Macht kommen“, findet sie. „Sie sind sowieso die besseren Führungskräfte. Das weiß ich aus eigener Erfahung.“

Für Claudia Kronen, die als verrücktes Huhn da ist, ist Altweiber der Auftakt zum Straßenkarneval, und Hippie Sibylle Hedler will „ganz viel Spaß mit Schunkeln, Tanzen und Singen“. Willi Boots ist 74 Jahre alt. „Ich komme immer“, erklärt er. „Ich bin in Bockum geboren. Altweiber ist hier immer schön.“