Jubliäum Krefelds würdiger Festakt zum 650. Geburtstag der Stadt
Krefeld · Oberbürgermeister Frank Meyer spricht wie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und Kommunalministerin Ina Scharrenbach.
Im Foyer gab es Cremant aus der Scheurebe, weil Georg Scheu als bekanntester deutscher Rebenzüchter 1879 in Krefeld geboren wurde. Dazu Himmel und Äd-Happen, Falafel-Burger, Toast mit Roast Beef und Quiche. Die Ausstellung „Große Gefühle“ mit Großereignissen der 650-jährigen Stadtgeschichte flankierte den Festakt im Seidenweberhaus, dessen Niveau dieser besonderen Stadthistorie in jeder Beziehung gerecht werden konnte. Auch dank der Niederrheinischen Sinfoniker unter dem Dirigenten Mihkel Kütson. Die Klangwelt des Seidenweberhauses war an diesem 1. Oktober 2023 in Krefeld um ein beeindruckendes Stück Musik bereichert.
Tom Hegermann moderierte
den Festakt
Der Festakt, den zu späterer Stunde im Dunkel der Stadt die Illumination an der Rathausfassade krönte, gelang vor allem, weil die Redner Krefeld in den Mittelpunkt stellten. Als Stadt, als Wohlfühlort, als Lebensgefühl. Vor allem Frank Meyer, Oberbürgermeister der Stadt, verstand es, dem oft gemalten Bild einer darbenden Stadt mit Luft zwischen glorreicher Historie und tristerer Gegenwart, eine Idee entgegen zu stellen. Moderator Tom Hegermann (ehemals WDR) moderierte das so: „Einen Oberbürgermeister, der mit einer solchen Begeisterung und ohne Hadern von seiner Stadt spricht, sagt nicht nur etwas über den OB, sondern auch über die Stadt.“
Meyer hob ab auf eine Stadt im steten Wandel. Eine Stadt, die 1373 von Kaiser Karl IV. die Stadtrechte zugesprochen bekam, die 1584 nach dem Truchsessischen Krieg nur noch Gerippe war, Textilstadt, Industriehochburg. Durch sechs schwere Bombardements 1943 zerbrochen. Und wieder zusammengebaut. „Selbst das Krefeld der 1960er- oder 1980er-Jahre ist heute bereits in Teilen verschwunden – der alte Wasserturm an der Gladbacher Straße, die Rhenania-Allee, die Königsburg, Horten und vielleicht bald auch der Kaufhof“, sagte Meyer im Frack, mit Fliege und viel sichtbarem Stolz. „Das erinnert uns daran, dass Bewahren zwar wichtig ist, aber kein Selbstzweck.“ Mut zur Gestaltung forderte er ein. In 650 Jahren sei die Lage der Menschen in Krefeld oft verzweifelter, als wir uns heute vorzustellen vermögen – und doch stehen wir jetzt hier und begehen feierlich den Geburtstag unserer Stadt.“
Man müsse ehrlich genug sein: Die viel beschworene goldene Vergangenheit der Samt- und Seidenstadt sei verblasst. Dagegen stünde die „innere Haltung“ der Bürger. Mit Sinn für das Schöne und auf der Suche nach neuen Impulsen. Krefeld habe immer kreative Menschen angezogen. Und: „Offenheit gegenüber der Welt und gegenüber Menschen jeder Kultur und jeden Glaubens“, auch das sei Krefeld. Eine internationale Stadt, die anpackt, die hilft. Wie etwa im laufenden Krieg in Europa. „Ich bin stolz, dass ich in einer Stadt lebe, die nicht hinsieht und dann wieder wegsieht, sondern die hilft und handelt, wenn es darauf ankommt.“ Vielleicht sagte der OB am meisten zu seiner Stadt mit diesem Satz: „Krefeld meckert lustvoll über die eigene Stadt, würde aber nie woanders hinziehen.“
Scharrenbach gab
ein Rätsel auf
Prominentester Gast war die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas aus der Nachbarstadt Duisburg. Sie sprach Meyer als Uerdinger eine „gelungene Integration“ zu und offenbarte, Krefeld vor allem mit dem Motorrad erkundet zu haben. Und als Mitarbeiterin der BKK futur, einst eine Betriebskrankenkasse mit Sitz in der Samt- und Seidenstadt. Bas lobte die Stadt als „Ort der Toleranz“ und die Aufnahme von 3600 Ukrainerinnen und Ukrainern im Angesicht des Krieges. Und sie erinnerte an ein Kunstwerk des in Krefeld geborenen Joseph Beuys, das heute im Bundestag zu Hause sei. „Tisch mit Aggregat“. In Berlin nehme man das als „Provokation aus Fett und Filz“ wahr. Und noch ein Kompliment am Rande: Bas’ Mitarbeiter hätten angesichts des Jubiläumsprogramms Krefeld in „Kreativfeld“ umbenannt.
NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach hob derweil in ihrer freien Rede auf die Bürger der Stadt ab, auf deren „besonderes Entrepreneurship“ (Unternehmergeist). Und darauf, dass Krefeld mal die „reichste Stadt im deutschen Reich war“. Scharrenbach dazu in Richtung ihres Parteikollegen Ulrich Cyprian: „Herr Kämmerer irgendwie werden wir da schon wieder hinkommen.“ Zuletzt gab sie noch eine Aufgabe: 2024 könne Krefeld wieder ein Jubiläum feiern, dann ein 95-Jähriges. Wir lösen: 1929 wurde der Ort Uerdingen Teil von Krefeld-Uerdingen am Rhein. Ob auch das gefeiert wird? Seite 16