Bilanz Sorge bei Muslimen wächst
Bundesweit nehmen Übergriffe auf Moscheen zu. Der Krefelder Integrationsrat greift das brisante Thema auf und will wissen, wie die Lage in der Seidenstadt aussieht.
Aktualisierung vom 21. Dezember, 17.19 Uhr
Aufgrund der gestrigen Berichterstattung und kritischer Anmerkungen im Integrationsrat weist Ulrich Paffrath von der ditib-Akademie aktuell darauf hin, dass er unter dem Oberthema „Angriffe auf Sakralgebäude“ erste Kontakte mit kirchlichen und jüdischen Vertretern aufgenommen habe. Das Ziel: Eine Gesamtstatistik der Übergriffe auf Sakralgebäude. Eine mögliche Kooperation und die Zusammenführung aller Daten stehe allerdings erst am Anfang. Deshalb seien derzeit nur Zahlen von Übergriffen auf Moscheen in den Bericht eingeflossen.
Bericht vom 20. Dezember, 18.46 Uhr.
Krefeld. Die Angst vor Übergriffen wächst in allen Bevölkerungsgruppen. Im Integrationsrat hat Erdinc Sezer für die „Liste Islam Türk“ deshalb darum gebeten, dass ein Experte über das Thema Antimuslimischer Rassismus und Moscheeübergriffe berichtet. „Wir erkennen immer mehr eine Art von negativ werdender Wahrnehmung des Islams und daraus resultierender Hetzkampagnen in den sozialen Medien. Immer mehr Muslime erleben Alltagsrassismus“, begründet Sezer den Wunsch. Wenn irgendwo auf der Welt ein Anschlag passiere, würden alle sofort auf die Muslime allgemein schauen. „Deshalb wächst die Angst bei uns.“
Die gute Nachricht zuerst: In Krefeld gibt es keine Anhäufung von Übergriffen auf die im Stadtgebiet verteilten Moscheen. In dem im Sommer erstmals veröffentlichten Bericht der Ditib-Akademie sind detailliert Vorfälle in den Jahren 2014 und 2015 gesammelt, darunter auch eine Sachbeschädigung im Herbst 2015 in Krefeld. Ein weiterer Vorfall laut Hans Butzen (SPD), bei dem in Uerdingen die religiöse Flagge gegen eine verbotene Reichsflagge ausgetauscht wurde, ist nicht erfasst.
In anderen Städten sieht das schon anders aus. „Bundesweit hat es im Jahr 2014 insgesamt 73 und im vergangenen Jahr bereits 99 gegeben“, erklärt Referent Ulrich Paffrath von der Ditib-Akademie im Integrationsausschuss. Unter Übergriffe werden alle Beeinträchtigungen, Angriffe und Sachbeschädigungen gegen muslimische Gebetshäuser gezählt, nicht explizit aber Gewalt gegen Menschen.
Dennoch sei mit Zunahme rechter Propaganda ein Trend zu Gewalttaten zu beobachten. Das fange bei Wand-Schmierereien, Drohbriefen und Schweinsköpfen vor der Tür an und reiche bis zu Zerstörung und Brandanschlägen. „Wenn im öffentlich-rechtlichen Fernsehen von einem Anstieg von 30 Prozent gesprochen wird, sehen wir das nicht bestätigt, dafür nehmen aber Gewalttaten gegen Flüchtlingsunterkünfte massiv zu“, so Paffrath. 2016 sind es bisher 830 bundesweit gewesen.
Während einerseits Erleichterung über die weitgehend friedliche Situation in Krefeld im Integrationsrat zu spüren ist, werden andererseits vom Gros der Mitglieder Bedenken gegen eine „fehlende Neutralität des Redners“ laut. Ohne Absprache sei ein Vertreter der Ditib-Akadmie eingeladen worden. Ditib ist die größte islamische Dachorganisation und wird vom türkischen Staat finanziert.
Bemängelt wird im Integrationsrat, dass in dem Bericht nicht erkennbar sei, von wem die Gewalt ausgegangen sei, ob von Deutschen oder auch von unterschiedlich, politisch motivierten Türken und Muslimen. Ebenso fehle zum Vergleich die Zahl der Übergriffe auf Gotteshäuser anderer Religionen. Elvira Gergis (Grüne) erinnert an den schweren Anschlag auf koptische Christen in Ägypten vor knapp zehn Tagen und mahnt: „Menschen verschiedener Religionen sind weltweit verfolgt.“