Häusliche Gewalt Hilfe für muslimische Frauen in Not
Die Krefelderin Halide Özkurt ist Mitgründerin eines neuen Sozialdienstes. Ziel ist ein eigenes Frauenhaus.
„Nein zu Gewalt an Frauen und Kindern“ – gleich welcher Herkunft oder Nationalität. Die Krefelderin und SPD-Ratsfrau Halide Özkurt lässt keinen Zweifel daran, dass häusliche Gewalt Unrecht und deutschlandweit verboten ist. Als 2016 in Köln der Bundesverband Sozialdienst muslimischer Frauen e.V. gegründet wurde, war die Diplom-Pädagogin eine von mehreren Krefelder Musliminnen, die insbesondere Frauen mit Migrationshintergrund stärken und unterstützen wollen. „Wir alle haben bereits zuvor auf einem Feld gearbeitet, wo Frauen von häuslicher Gewalt betroffen waren, sich aber nicht trauten, sich an die vorhandenen Beratungsstellen zu wenden“, erzählt Özkurt als stellvertretende Vorsitzende. Mit ihren Mitstreiterinnen möchte sie anderen Frauen Mut machen.
Migrantinnen kennen nicht die deutschen Hilfen gegen Gewalt
„Die junge Generation muslimischer Frauen, die hier sozialisiert ist, traut sich schon eher, Hilfe bei häuslicher Gewalt anzunehmen; nicht aber die Heiratsmigrantinnen“, sagt Özkurt. Die wissen noch nicht einmal, dass es in Deutschland solche Hilfsangebote für Frauen in Not gibt. Deshalb haben die Gründungsmitglieder des Sozialdienstes schon früh damit begonnen, Beratung in Türkisch und Arabisch anzubieten – und in vielen Fällen die Hilfe suchenden Frauen an andere Mitarbeiter von Hilfseinrichtungen verwiesen. „Das ist ein Umweg“, sagt Özkurt pragmatisch, „das können wir auch selber machen.“ Deshalb habe der Verband ein eigenes Konzept erarbeitet, um zunächst nur ein „Frauenhaus mit interreligiöser Ausrichtung“ zu gründen und Beratung anzubieten.
Dabei sei es nicht geblieben. Durch zahlreiche Gespräche seien Anregungen für Flüchtlingshilfe, Kinder- und Jugendhilfe sowie Seniorenhilfe hinzugekommen. 2016 hat sich der Verband bundesweit gegründet. Der “Sozialdienst muslimischer Frauen” ist ein Zusammenschluss von Frauen, Frauengruppen und -Vereinen, die im sozialen Dienstleistungsbereich aktiv sind. Ziel ist es, muslimische Frauen aus dem sozialen Dienstleistungsbereich zu vernetzen, sie zu stärken und neue soziale Angebote bundesweit aufzubauen. „Wir wollen uns in die Gesellschaft einbringen, und das ausdrücklich als muslimische Frauen“, antwortet Özkurt auf die Frage, weshalb der Sozialdienst sich mit seinem Namen gezielt an Muslimas wende. Es gehe ihnen um gesellschaftliche Teilhabe, aber eben „als Gebende sozialer Dienste, nicht in erster Linie als Nehmende“.
Über WhatsApp ist anonyme
und rasche Beratung möglich
Mittlerweile gibt es sechs Ortsvereine: in Delmenhorst, Freiburg, Kempten, Köln, Krefeld und Neumünster. „Wir verstehen uns nicht als Konkurrenz zu den bestehenden Organisationen, sondern Innovation, Ergänzung und Bereicherung ist unsere Präferenz“, erklärt Özkurt. Täglich werde beim Verband angefragt, wie anderen muslimischen Frauen geholfen werden könne, wie ein Verein zu gründen sei, wie Projektbeschreibung für mögliche Förderungen aufgesetzt werden müssen. Deshalb schult der Verband nun zunächst gezielt Frauen für den Aufbau weiterer Hilfen. „Unterstützt werden wir dabei von der Robert-Bosch-Stiftung“, sagt Özkurt. 40 Frauen seien bislang für die neue Aufgabe geschult worden.
Doch damit nicht genug. Der SmF hat bundesweit die Aktion #savewoman gegründet und beantwortet unter der WhatsApp-Nummer 0152/ 547 366 61 von Montag bis Freitag in der Zeit von 10 bis 15 Uhr Fragen von Frauen zu diesem Thema. „Anonym und kostenlos“, so Özkurt. Auch per E-Mail unter savewoman@smf-verband.de sind Anfragen möglich.
Der hiesige Ortsverband arbeitet unter anderem mit dem Krefelder Integrationszentrum zusammen. Beispielsweise habe man gemeinsam ein Elternseminar in arabischer Sprache angeboten, zu den Themen „Was ist Mobbing?“ und „Wie funktioniert das Schulsystem in Deutschland“. Auf großen, aufgehängten Plakaten in türkischer und arabischer Sprache sei außerdem zu lesen gewesen: „Gewalt ist nicht erlaubt“.
„Wenn wir nicht vor Ort mit den Menschen arbeiten, funktioniert Integration nicht“, erklärt Özkurt. Deshalb liegt ihr auch das Patenprojekt sehr am Herzen, das vom Familienministerium gefördert wird. 3200 „Chancen-Patenschaften“ gibt es bundesweit zwischen Einheimischen und Geflüchteten bereits. Seit vergangenem April setzt sich für Krefeld Nadin Soleimann dafür ein. Bis Ende dieses Jahres will der SmF in Krefeld 90 Patenschaften stiften. Dazu werden Einheimische mit ohne und Migrationshintergrund als Begleiter im Alltag für Neuzugewanderte gesucht, denen die ausreichende deutsche Sprachpraxis fehlt. Interessenten können sich per E-Mail unter krefeld@smf-verband.de melden und werden dafür geschult.