Geadeltes Handwerk Bettingers Oma lieferte Brötchen an die Thurn und Taxis
In Rudi Bettingers Familie ist Backen Beruf und Leidenschaft. Der Großvater war „Fürstlicher Hoflieferant“.
Heute betreten die Kunden Café und Geschäft von Rudi Bettinger, doch vor zwei Generationen war das ganz anders: Da brachte Großmutter Adelheid Zandel die beste Auswahl Brötchen selbst in den Nachbarort Dischingen, ins Schloss Trugenhofen in Baden-Württemberg. Es war die Sommerresidenz der Familie von Thurn und Taxis.
Ohne den Hofknicks ging die Übergabe der Tüte an die adeligen Bewohner nicht vonstatten. „Mein Großvater Anton durfte sich dafür mit dem Titel ,Fürstlicher Hoflieferant‘ und dem Wappen auf dem Briefpapier schmücken“, erinnert sich Rudi Bettinger. Er hat sich dagegen ganz der Naturkost verschrieben, war ein Bio-Pionier in Bayern. Der heute 65-Jährige zog vor 25 Jahren nach Krefeld. Das Jubiläum wird in diesem Monat an der Friedrich-Ebert-Straße 240 gefeiert.
„Großvater war nicht nur ein hochdekorierter, sondern auch ein innovativer Mann. Neben den leckeren Brötchen stellte er Paniermehl und Zwieback her. Die lieferte er auch in andere Landkreise“, sagt Goldi Bettinger, die zum Jubiläum angereist ist. Die Tradition wurde von Rudolf Bettinger aufrechterhalten. Das ging so weit, dass der Enkel zum Karneval mit einem kleinen weißen Kittel, Bäckermütze und einer Kette Schokoladenbrezeln um den Hals gekleidet war.
Er sei nicht zum Handwerk überredet worden. Den Bäckerberuf könne man nur aus Überzeugung betreiben, findet der gelernte Konditormeister Bettinger. „Auf der Meisterschule kam die Initialzündung. Wir haben mit Vollkorn gearbeitet und ich habe mein erstes Bio-Brot gebacken.“
Die Familien- und Geschäftsgründung im schwäbischen Lauingen passierte gleichzeitig. „Als meine vier Kinder schulpflichtig waren, bin ich um zwei Uhr aufgestanden, habe fünf Stunden gebacken, dann die Kinder und das Brot in den VW-Bulli gepackt und die Laibe auf der Fahrt zur Waldorf-Schule ausgeliefert. Dann habe ich im Auto auf dem Parkplatz geschlafen, bis die Schule aus war und ich die Kinder mitnehmen konnte.“
Krefeld. Durch eine Bekannte erfuhr er von einem frei werdenden Ladenlokal in Krefeld. „Es war der richtige Standort für Naturkost an der Ecke Kaiserstraße/Glockenspitz“, erinnert sich Bettinger. „Die Waldorf-Schule war nur wenige Meter entfernt. Wir haben es uns im November angeguckt, im März waren wir hier.“ Nach 15 Jahren wechselte er an die Uerdinger Straße, 2012 dann an die Friedrich-Ebert-Straße, um mit Bäckerei, Café und Geschäft bei „Natürlich Bettinger“ noch einmal durchzustarten.
Auf sein Brot ist Rudi Bettinger besonders stolz. Er benutzt neben Roggen, Dinkel oder Weizen auch Kamut, eine der ältesten kultivierten Getreidearten, die ursprünglich aus Ägypten stammt. „Oder auch Emmer, dass die Römer schon in Xanten kannten.“ Dabei handelt es sich nicht nur um eine der gesündesten Getreidesorten, sondern ebenso um eine der ältesten aus der Gruppe der Weizenarten aus dem Vorderen Orient.
„Bei mir wird alles frisch vermahlen und mit gefiltertem Wasser versehen“, sagt Bettinger nicht ohne Stolz und lacht: „Natürlich wird auch mit Liebe gebacken.“