Mit Platt direkt in die Herzen

Hermann Lunkebein ist Krefelds Mundartpastor. Mit 82 Jahren hält er noch regelmäßig Gottesdienste „op Krieewelsch“.

Hüls. "M’r kann sech üever alles opreje, mot ävver net!" ist das Lebensmotto von Hermann Lunkebein. Der pensionierte Pastor, der seit 1996 als Subsidiar (Aushilfe) in Hüls wirkt, strahlt Güte und Zuversicht aus. Erfreut ist der 82-Jährige, dass er noch seelsorgerisch wirken kann und seine Hilfe so begehrt ist. Einen Ehrentitel aber hört er besonders gern: Mundartpastor.

Hermann Lunkebein, gebürtig im Westen Krefelds, lernte Hochdeutsch erst auf der Fichteschule. Zu Hause sprach man Krieewelsch Platt. Vor allem der Opa, der zeitweise eine Sandbaggerei und später das erste Krefelder Freibad betrieb, redete mit Hermann und seinem Bruder Willi nur Platt.

Noch heute erinnert sich Hermann Lunkebein, wenn er die auf seine Großeltern zurückgehende Straße "An Lunkebeins Kull" befährt, mit Freuden an seine Kindheit. Doch die war abrupt zu Ende, als er erst Luftwaffenhelfer, dann Arbeitsdienstleistender und schließlich Soldat wurde. Im Krieg hatte er dem Herrgott versprochen, wenn er heil nach Hause käme, dann wolle er Priester werden. Spät kam er krank aus Russland zurück, machte das "Kriegsabitur" nach und ging anschließend zum Studium nach Bonn, München und zuletzt ins Aachener Priesterseminar. Geweiht wurde er im Februar 1953 im Aachener Dom.

Die erste Kaplanstelle war in Aachen, die zweite von 1956 bis 1962 in Hüls. Von dort ging es nach Düren bis Lunkebein im Dezember 1965 Pastor im Forstwald wurde. In Maria Waldrast tat er 31 Jahre Dienst und bereitete seine Pfarrkinder schon früh auf Mitwirkung und Teamarbeit vor. In Hüls traf er dann auf viele Bekannte, die den ehemaligen Kaplan mit offenen Armen aufnahmen.

Da hatte Hermann Lunkebein schon lange die Bezeichnung "Mundartpastor" weg. Denn immer mehr Pfarrgemeinden luden ihn ein zur Feier eines Gottesdienstes in Mundart. Die Heimatsprache führt oft zu neuen Einsichten. So zum Beispiel, wenn einem auf dem Weg nach Jericho plötzlich kein Räuber, sondern "enne janz fiese Möpp" entgegenkommt. Im Mai feierte Lunkebein Mundartmessen in St.Matthias und St. Cyriacus. Die längste Tradition hat die alljährlich Ende November in Maria Waldrast stattfindende Messe des Mundart-Kreis 23. Inzwischen wird fast der ganze Text in Mundart vorgetragen, die Predigt hält Lunkebein sowieso in der Muttersprache. Und erreicht damit die Herzen der zahlreichen Mitfeiernden aus allen Krefelder Stadtteilen.

Auf Hermann Lunkebein trifft der alte Krefelder Ausspruch "Dä kockt sech selvs on lött sech wäsche" zu. Er kocht sich meist jeden Tag das Mittagessen und gibt die Wäsche aus. Als er nämlich keine Haushälterin mehr hatte, da übte er das Kochen und bekam Spaß daran. Für den Besucher ist es noch immer ungewöhnlich, wenn der Pastor "möt opjerollde Maue" (mit aufgerollten Hemdsärmeln) am Herd steht.

Im Herbst entwickelt Hermann Lunkebein ungeahnte Fähigkeiten. Er hat zum Abschied aus dem Forstwald nicht nur ein Fahrrad bekommen, sondern auch "en Kappes-Schaav". Das ist ein großer hölzerner Kohlhobel, mit dem er dann höchstpersölich "Kappes" schnibbelt und anschließend "en de Kappestonn" einmacht. Ganz besonders gute Freunde bekommen dann eine Einladung zum Essen oder ein Eimerchen "enjemäckte suure Kappes" (Sauerkraut).

Seiner Bleibe hat er den Namen Bückeburg gegeben, denn der 1,94 Meter große Mann muss regelmäßig den Kopf einziehen, wenn er seine Räume in dem historischen 500 Jahre alten Haus auf der Rektoratsstraße in Hüls betritt.