Blick in den Bunker: Bizarre Welt im Untergrund

Ein letzter Blick in den Bunker, bevor er für die Platzgestaltung zugeschüttet wird.

Krefeld. Der Weg in die Vergangenheit führt über einen Haufen Schutt. Während sich oben am Lutherplatz schweres Gerät wie ein überdimensionaler Zahnarztbohrer in den Beton des westlichen Bunkeraufbaus vorarbeitet, wird es unter dem östlichen Eingang Schritt um Schritt stiller. Bevor das Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg mit der Umgestaltung der Grünfläche bald für immer geschlossen und zugeschüttet wird, gewährt die Stadt der Presse einen Blick in diese bizarre unterirdische Welt.

"Dieser Bunker ist schon Anfang 1941 gebaut worden und gehört daher zu den am besten ausgestatteten in Krefeld." Georg Opdenberg kennt sich aus. Seit Jahren dokumentiert der Landvermesser die Schutz-Anlagen der Stadt, schreibt für "Die Heimat" Beiträge.

Die einstmals "gute Ausstattung" kann zunächst nur mit viel Phantasie erahnt werden. Die Überreste einer Federkernmatratze, die im Schein der Taschenlampe auftauchen, sind ein erster Hinweis. An der Wand glimmt es schwach. "Das sind Phosphorstreifen, die zur Orientierung in der Dunkelheit dienten", weiß Andrea Brönner vom Grünflächenamt.

Opdenberg richtet kurz den Lichtstrahl darauf. Kreisrund gibt der Phosphor die Energie wieder ab. Funktioniert ja noch. Das ist jedoch das Einzige. Ansonsten hängen alte Stromleitungen im Weg, der Deckenputz ist in großen Brocken herabgestürzt und bildet mit dem Zentimeter hoch stehenden Wasser und den Überresten des Holzbodens eine breiige Masse. Dazwischen liegen immer wieder alte Dosen, Eimer, Töpfe.

"Schleuse". Der Lichtstrahl streift eine rot aufgemalte Schrift an der Wand. "Das ist die Gas-Schleuse. Dieser Raum konnte hermetisch abgeriegelt werden", erklärt Opdenberg. Dahinter öffnet sich der Blick in einen langen Gang, von dem lauter kleine Räume abgehen. Ein Zimmer je Hausgemeinschaft. Purer Luxus, wie Opdenberg betont. Ebenso wie die gekachelten Toilettenräume am Ende des Ganges. "In später angelegten Bunkern gab es nur noch einen Eimer für die Notdurft und eine Stellwand", erzählt der Bunker-Kenner.

Alles da für einen Hotelbetrieb, wie der Expeditions-Trupp spaßt. Dabei habe es genau das in Krefeld schon gegeben, wie Opdenberg sagt. Am Blumenplatz sei der Bunker bis zum Ende der 1950er tatsächlich noch als Hotel genutzt worden. "Da haben sich die Gäste früher beschwert, wenn ich mit meinen Freunden darüber Rollschuh gefahren bin."

Hier unter dem Lutherplatz will wohl eher keiner mehr sein müdes Haupt betten. Die Feuchtigkeit lässt den Putz blühen. Aus den Wänden lugen Eisenträger hervor, die einst Sitze oder Liegen gestützt haben mögen. Schon zum Ende des Krieges werde es nicht mehr so komfortabel gewesen sein, denkt Opdenberg.

Ursprünglich für 1200Personen geplant, habe die grob geschätzt 500 Quadratmeter große Anlage wohl mehr Menschen Schutz geboten. Ein einsamer Frauenschuh mitten im Schutt lässt an ebenjene Hilfesuchenden denken. Bilder tauchen auf von Frauen, Kindern, Männern, die sich ängstlich aneinander drängen.

Umso besser, dass dieses dunkle Kapitel der Geschichte endgültig geschlossen werden kann. "In zwei Monaten wird der neu gestaltete Platz voraussichtlich fertig sein", verspricht Brönner. Der "Bohrer" hat zuvor schließlich noch seine schwere Aufgabe zu bewältigen: den Abriss der massigen Betoneingänge.