Mit der Videokamera durch Kolumbien
Der 23-jährige Jamen Abu-Khatir hat sich für Jugendliche in Montebello engagiert — und nebenbei die Kunstszene dokumentiert.
Kempener Feld. Nervös hibbeln seine Füße, die Finger umspielen das Feuerzeug auf dem Tisch. Dann beginnt er zu erzählen: Bilder bauen sich im Raum auf und langsam werden die Umrisse von Montebello sichtbar. Unzählige Blechhütten stehen nebeneinander in den engen Gassen, Kinder spielen auf den Straßen, auf einem Hügel an der Stadtgrenze Montebellos hebt sich ein Gebäude ab. Aus Bambus gebaut, steht hier die Schule fürs Leben.
Hier hat Jamen Abu-Khatir die letzten acht Monate gelebt. Jamen ist wohl die Art Mensch, die sich Lebenskünstler nennen darf. Bis kurz vor seinem Abitur geht er auf das Gymnasium Horkesgath, dann schmeißt er die Schule, um sich beim Fernsehen zu bewerben. Jamen arbeitet bei „Alarm für Cobra 11“ und arbeitet sich zum zweiten Regieassistenten hoch. Anschließend kommt er bei der Produktion einer Daily Soap unter.
In einer zweimonatigen Drehpause besucht er seinen besten Freund, der ein freiwilliges soziales Jahr in Kolumbien macht. „Vor Ort habe ich gemerkt, dass mir das Arbeitsleben beim Fernsehen einfach nicht mehr gefällt. Ich hab zwar viel gelernt, aber das Menschliche, das hat mir irgendwie gefehlt. Und genau das hab ich in Kolumbien gesehen.“
Der 23-Jährige liest sich in die Organisation ein, mit der auch sein bester Freund ins Land gereist ist. Ein deutsch-kolumbianischer Architekt hat die Organisation „Schule fürs Leben“ gegründet. Die Schule unterrichtet Kinder aus sozialschwachen Familien, bietet aber gleichzeitig auch ein Ausbildungsprogramm für Jugendliche an.
„Sie sollen inspiriert werden, mit Materialien aus ihrer Region Sinnvolles erschaffen zu können.“ 90 Jugendliche werden zurzeit in Berufsfeldern wie Konstruktion, Schreinerei oder Dachziegelproduktion ausgebildet. Der zweimonatige Ausflug in die fremde Welt beeindruckt Jamen so sehr, dass er mitwirken will. „Vor Ort passiert so viel, aber in Deutschland bekommt niemand das mit.“
Er entschließt sich, die Arbeit der Organisation durch Fotos und Videos dokumentieren zu wollen. „Durch meine Erfahrung beim Fernsehen hatte ich ja genug technische Vorkenntnisse.“ Vier Monate später hat er seinen alten Job und seine Wohnung gekündigt und sitzt mit neuen Zielen im Flugzeug nach Kolumbien. Eine neue Zeit beginnt. Er baut für die Organisation verschiedene Internetpräsenzen auf, nebenbei unterrichtet er an der Schule. „Ich habe einen Unterricht über Werte eingeführt.“
Neben der Arbeit macht sich Jamen auf eigene Faust auf, das Land zu entdecken. „Die Organisation hat mich immer wieder davor gewarnt, mich vor allem in der Großstadt aufzuhalten. Klar, ich weiß, dass ich mich in Gefahr begeben habe, aber ich bereue es nicht.“ Jamen beginnt, Streetart mit seiner Kamera zu dokumentieren.
Durch Schriftzüge oder Bilder versuchen Künstler, ihre politische Meinung in Kolumbien kundzutun. „Obwohl es rechtswidrig ist, geht die Polizei dagegen nicht vor“, erzählt er. Nach acht Monaten hat er seine Arbeit in Kolumbien beendet und möchte nun im Januar auf eigene Faust zurückgehen, um das Leben der Kolumbianer mit der Kamera zu dokumentieren. „Es gibt so viele Vorurteile über das Land und die Leute.“ Danach möchte er sich an der Filmhochschule in Köln bewerben.