Pfarrer Hack: Wenn Kinder Opfer sind, brennt sich das Leid noch tiefer ein

Pfarrer Michael Hack arbeitet seit zehn Jahren als Polizeiseelsorger. Mit dem Mordfall Demir fing seine Arbeit an.

Krefeld. Aus dem verrauchten Treppenhaus kommt der Polizeibeamtin eine Frau entgegengestolpert. Im Arm trägt sie ihre verbrannte Tochter. Der verzweifelte Blick der Mutter geht Christina K. (Name von der Redaktion geändert) nicht mehr aus dem Kopf.

Damit ist die Polizistin kein Einzelfall: Immer wieder bewältigen Beamte professionell stark belastende Einsätze, die schrecklichen Bilder aber holen sie später ein. "Sehr häufig passiert das, wenn Kinder beteiligt sind", sagt Michael Hack.

Der Pfarrer in Ruhestand war früher Geistlicher in Forstwald. "Jetzt ist das Polizeipräsidium meine Gemeinde", sagt der 66-Jährige lächelnd, der seit zehn Jahren Polizeiseelsorger ist und einen Einblick ins Seelenleben der Polizeibeamten hat wie kaum ein anderer. Und er weiß, wie sehr schlimme Ereignisse die Freunde und Helfer beschäftigen können: "Mancher hat den Dienst quittiert."

Dass die Beamten Unterstützung brauchen bei belastenden Ereignissen, ist Hack klar geworden beim Mordfall Demir, als 1997 ein Familienvater im Hochhaus Alte Gladbacher Straße31 die Wohnung seiner Familie anzündete. "Da sind den Einsatzkräften brennende Menschen entgegengefallen. Mir war sofort klar: Für die müssen wir was tun." Hack sprach mit Polizeipräsident Dieter Friedrich - und der sah das ganz genauso.

Seit zehn Jahren nehmen Polizisten im gemütlichen Wohnzimmer von Michael Hack Platz. "Ein Büro im Polizeipräsidium - das ist Tabu", sagt der gebürtige Wuppertaler, dessen geistlicher Hintergrund für die Beamten meist uninteressant ist. "Der spielt in den Gesprächen auch keine Rolle." Wichtig sei vielmehr, dass er dem Beichtgeheimnis unterliege und niemandem etwas erzählen dürfe.

Ob belastende Ereignisse zum Problem werden, das hängt nach Überzeugung Hacks vor allem von der persönlichen Situation ab. "Auch Polizeibeamte haben Eheprobleme oder Erziehungsschwierigkeiten mit den Kindern." Zudem sähen sich Polizisten immer wieder auch in Opfer- und Täter-Situationen: Sie seien Opfer der Politik, etwa beim Streichen von Urlaubsgeld oder dem Heraufsetzen der Arbeitszeit. Aber auch Täter, etwa, wenn sie polizeiliche Maßnahmen auch gegen ihre Überzeugung oder als Chef durchsetzen müssten.

Reden ist auch für die Ordnungshüter, ebenso wie für Feuerwehrleute und Rettungsdienst-Mitarbeiter, wichtig, erklärt der Theologe. So könnten auch Erlebnisse, die ihnen emotional nahe gehen, besser verarbeitet werden. So wie die vom 23. Mai. Morgens wird ein Radfahrer (46) am Dießemer Bruch überrollt und getötet, abends stirbt ein 23-jähriger Motorradfahrer auf der Uerdinger Straße.

Etliche Rettungskräfte erleben beide in der gleichen Dienstschicht - das lässt auch die Rettungsprofis nicht kalt. Wenn der Geistliche mit ihnen über solche Erlebnisse spricht, sind die Gespräche sehr tiefgehend. "Dann frage ich: Was ist passiert? Was hast Du gesehen? Was hast Du gerochen und gehört?" Dies alles können die Betroffenen eigentlich immer beantworten.

Schlimm ist es, wenn die seelischen Belastungen irgendwann durch ein anderes Ereignis wieder hochkommen, das den Tropfen darstellt, der das Fass zum Überlaufen bringt, wie Hack erklärt. "80Prozent der Belastungen schafft der Betroffene selbst. Die restlichen 20Prozent können unter Umständen zu Störungen führen und bedürfen fachgerechter Hilfe."