Bäckerin Röttges: Aus der Backstube an die Schaltstelle
Krefeld. Wenn Barbara Röttges morgens die Augen aufschlägt, dann weiß sie ziemlich genau, wie weit ihre Angestellten in der Backstube gerade sind. Schließlich hat die Geschäftsführerin der Uerdinger Bäckerei Röttges lange selbst an der Basis mitgemischt und kennt die Abläufe genau.
„Vom Herzen her würde ich auch sofort wieder backen gehen, aber irgendwer muss ja den Büro- und Organisationskram erledigen, und beides zusammen geht nicht“, sagt die 34-Jährige.
Deshalb sitzt sie seit 2006 an sechs Tagen pro Woche an der „Schaltstelle“, einem kleinen Büro zwischen Backstube und Verkaufsraum. Zur Bäckerjacke greift sie nur noch in der Urlaubszeit und jeden Sonntag, wenn sie den Sauerteig für den nächsten Tag ansetzt. „Am meisten vermisse ich es, morgens mit der Produktion anzufangen und das Tagewerk erledigt zu haben, sobald alles im Laden liegt“, erzählt sie. „Das ist bei der Büroarbeit anders, da bleibt immer was liegen.“
In der zehnten Klasse hat Barbara Röttges entschieden, dass sie ihren Eltern nachfolgen will. Seit 2005 ist sie nun Geschäftsführerin und damit die fünfte Bäckergeneration der Familie. Gegründet haben ihre Vorfahren den Betrieb an der Niederstraße 34 im Jahr 1889. 60 Jahre später, im Jahr 1949, eröffneten Barbara Röttges’ Großeltern einen zweiten Laden wenige hundert Meter entfernt an der Niederstraße 11.
Hier wird noch selbst gebacken
Bis heute gibt es in der Uerdinger Fußgängerzone beide Geschäfte. Der Laden in der Niederstraße 34 hat die Backstube hintendran, die größere Filiale in der Niederstraße 11 wird dagegen von dort beliefert. Dafür müssen sie einmal um den Block fahren, weil das Geschäft zwar gegenüber, aber in einer Fußgängerzone liegt. „Wir fahren morgens immer einmal um den Pudding, so nenne ich es, wenn wir den Wagen beladen und mit der Ware quer über die Straße fahren“, erzählt Barbara Röttges lächelnd. Nach ihren Angaben macht es durchaus Sinn, beide Filialen so dicht beieinander zu haben: „Da kommen zum Teil wirklich unterschiedliche Kunden“, sagt sie. Das Angebot sei dagegen das gleiche.
Barbara Röttges hat sich für den Bäckerberuf entschieden, weil sie von Anfang an die Perspektive hatte, irgendwann den elterlichen Betrieb zu übernehmen und selbständig zu arbeiten. Ihr sei aber schon früh klar gewesen, dass sie damit in eine „absolute Männerdomäne“ eintauche. „Meine Ausbildung habe ich als einziges Mädchen unter 18 Kerlen gemacht“, erzählt sie. Selbst ihre Eltern hätten ihr gesagt, dass sie sich das als Frau gut überlegen solle. „Ich habe mich am Anfang selbst gefragt, ob ich das gewuppt kriege mit den 50-Kilo-Mehlsäcken und allem anderen. Aber jetzt bin ich froh darum.“ Zwar sei sie als Frau immer noch eine Ausnahme unter den Bäckern im Umkreis. „Ich bin aber immer geschätzt und respektiert worden und das nicht nur im eigenen Betrieb“, betont sie. Ihre Ausbildung hat sie bei der Bäckerei Sommer gemacht, „um einfach mal rauszukommen“, danach folgte ein „Wanderjahr“ durch verschiedene Unternehmen. Erst 2001, nach ihren Prüfungen zur Bäckermeisterin und Betriebswirtin des Handels, ist sie in den Familienbetrieb eingestiegen.
Heute leitet Barbara Röttges von ihrer Schaltstelle aus 25 Angestellte an und vergisst dabei nicht, wie die Arbeit „an der Basis“ funktioniert. Beim Warenangebot konzentriert sie sich auf das, was für sie eine Bäckerei ausmacht: Brot, Brötchen, Kuchen und Teilchen. „Über der Bäckerbranche schwebt insgesamt die Frage, wo die Reise mal hingehen wird, und ich finde es spannend, was die Kollegen mittlerweile alles so anbieten“, sagt sie. „Ich persönlich will aber nur das machen, was ich kann und wofür ich stehe, und das sind Backwaren.“ Zusätzlich einen warmen Mittagstisch anzubieten oder Ähnliches komme für sie nicht in Frage.
Dass ihr Betrieb trotz der Konkurrenz durch Ketten auch ohne solche Zusatzangebote in Zukunft gut dastehen wird, da ist sich Röttges sicher. „Ich habe das Gefühl, dass sich die Leute immer mehr dafür interessieren, was in ihrem Essen drin ist, und wertschätzen, dass wir das als kleiner Betrieb natürlich immer beantworten können“, sagt sie.