Glosse: WDR besetzt für 45 Minuten den Uerdinger Marktplatz
Krefeld. Früher waren es die Hunnen, die gelegentlich über schutzlose Dörfer herfielen, heute ist es der WDR. Als vorbereitendes Manöver blockierten bereits am Donnerstag die ersten Zwölftonner den Uerdinger Marktplatz.
Auf einem der Lastwagen war die Maus zu sehen, auf einem anderen stand: „Danke für Ihre Rundfunkgebühren.“
Was damit geschieht, konnten die Menschen am Sonntagabend erleben, ab 17 Uhr, immerhin eine Dreiviertelstunde lang. Susanne Wieseler und Thomas Aydintan, die wie Barbie und Ken aussehen und wie Florian Silbereisen moderieren, präsentierten „Schöne Bescherung“.
Originell wie der Name war auch das Programm: Kinder sangen Weihnachtslieder, die Moderatoren neckten sich mit Anekdötchen übers Plätzchenbacken, es menschelte allüberall, und sogar „der Schlagershootingstar 2011“ war dabei. Er heißt Laura Wilde und sang „Jingle Bells“.
Natürlich zogen die adventlichen Klänge hunderte Neugierige auf den Marktplatz und hielten sie somit erfolgreich aus den Kirchen fern. Dort stellen lokale Kulturschaffende ganz ohne Rundfunkgebühren Adventskonzerte auf die Beine, die weniger Schmalz und viel mehr Anspruch haben.
Rund 1,2 Milliarden Euro hat der WDR übrigens 2011 aus der Tasche der Bürger kassiert, da versteht es sich von selbst, dass man mit Herz und vollen Händen einen Teil davon an die Menschen zurückgeben möchte. Auch an die übrigens, die sich nicht dafür interessieren: Ihnen wurden vier, fünf Tage lang das Parken und das Einkaufen erschwert. Ab Sonntagnachmittag war Uerdingen sogar komplette Sperrzone, abgesichert durch Poller und Straßensperren. Die Sorge, dass es sich eventuell um einen Terroranschlag handelt, konnte trotz des Auftritts von Laura Wilde zerstreut werden.
Immerhin: Das Rathaus, entgegen aller sonstigen Gewohnheiten hinter allen Fenstern hell erleuchtet, war 45 Minuten lang im Fernsehen zu sehen, auch auf St. Peter wurde gelegentlich geschwenkt. Uerdingen wird sich also bald vor Touristen kaum retten können.
Nach der Sendung zeigten die Moderatoren noch echtes lokales Engagement, indem sie gegen die Schließung der Stadtteilbücherei unterschrieben. Im Anschluss verschwanden sie spurlos, zusammen mit Laura Wilde, den Regenbogenkids und Loona, die vor 14 Jahren mit „Bailando“ einen Hit hatte.
Nur die Lastwagen standen gestern immer noch da. Vor grauem Himmel, im Regen und ohne Lichterglanz sah der Marktplatz fast ein wenig verwüstet aus.