Otfried Staudigel webt Birmas Tierwelt auf Bänder

Otfried Staudigel hat ein Buch über Brettchenweberei veröffentlicht. In seinem Wohnzimmer an der Höppnerstraße denkt sich der 83-Jährige viele komplizierte Muster und Motive aus.

Bockum. Erst schreibt er den englischen Text, dann den deutschen. Die Zeichnungen sind allgemein verständlich - jedenfalls sofern der Leser etwas von Brettchenweberei versteht. "Gewebte Bilder - Enträtselte Motive" heißt der Titel des neuen Buches von Otfried Staudigel. Darin hat der 83-Jährige die Codes von Mustern aus Birma, Tibet und Tunesien geknackt und lädt zum Nachweben ein. Deshalb sind die technischen Zeichnungen für den Autor mindestens so wichtig wie der Text.

Schon mit seinem ersten Buch "Zauber der Brettchenweberei" vor acht Jahren hatte Staudigel guten Erfolg. "Vor allem in den USA verkauft es sich", stellt der studierte Heilpädagoge fest, der in Schottland, Südafrika und England lebte, bevor er 1968 nach Krefeld kam und an der Schule für Körperbehinderte wirkte. In Amerika seien textile Hobbys sehr verbreitet.

Das Brettchen- oder Kartenweben hat Staudigel von seiner Mutter Gertrud Scharlau übernommen, die in Singapur geboren ist. Die Muster-Beschreibungen und Anleitungen in seinem neuen Buch sind ergänzt durch die Darstellung eines arabischen Gürtels von drei Metern Länge. Mit 432 Kettfäden hat er in Tunesien Tradition. Das stolze Stück hat Staudigel nachgewebt: "Es ist recht kompliziert", formuliert Staudigel vorsichtig, der im Original sogar noch Fehler entdeckt hat: "Da hat wohl ein Lehrling rund 60 Zentimeter in der Hand gehabt", vermutet er.

Otfried Staudigel

Die mit Brettchen oder Karten gewebten Bänder sind nur wenige Zentimeter breit, meist sogar unter zehn. Aber es gibt auch breitere: "In Äthiopien werden bis zu 70 Zentimeter breite Bahnen zusammengenäht", weiß Staudigel. Für jeden Kettfaden benötigt er eine Karte mit vier bis fünf Löchern. Der Weber dreht die Kärtchen, um die Kette hoch oder tief zu legen und den "Schuss" durch die Kette zu stecken. So entstehen die Muster. Staudigel arbeitet an einem Bandwebstuhl: "Den braucht man aber nicht wirklich, wenn man die Kettfäden nur auf Spannung hält."

Die in seinem Buch abgebildeten Muster aus Birma zeigen Löwen, Fische, Vögel, Frösche, auch Vogelmenschen als Zeichen der menschlichen Harmonie. Typisch tibetanische Motive sind unter anderem unendliche Knoten als Zeichen für die Weisheit Buddhas. Das Nachweben hält Staudigel nur für begrenzt schöpferisch. Er liebt eigene Muster, die er in Seide und teilweise mit Japangold zu schmalen Brokatbändern webt.

Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfach: Für Gürtel werden die gewebten Bänder auf Gurtband geklebt. Sie werden auch als Kleiderbesatz oder Lesezeichen verwendet, zum Taschenstoff aneinander genäht, sie dienen zum Halten von Vorhängen oder schlicht als Stola zum Überhängen. Zum Verkauf sind die Bänder nicht geeignet: "Den hohen Aufwand kann man nicht in einen Preis umsetzen", sagt Staudigel. Lieber ist ihm, Interessierte kommen zu einem seiner Wochenendkurse und weben dort ihre eigenen Muster.