Getötete Greta (3) in Viersen: Die Folgen für Krefeld Tod in der Kita: Wenn die Bedrohung von innen kommt

Krefeld · Der Fall der in einer Kita im Kreis Viersen getöteten Greta (3) hat auch Folgen für Krefeld. Der Beigeordnete Markus Schön fordert angepasste Ausbildungsregeln für angehende Erzieher.

Interview Dezernent Marcus Schön, Medienhaus Rheinstraße; Foto: Andreas Bischof

Foto: Andreas Bischof

Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt: Am 21. April werden Notärzte zu einer Kita in Viersen gerufen, weil ein dort betreutes Mädchen nicht mehr atmete. Am 4. Mai ist Greta (3) im Krankenhaus gestorben. Die Ärzte hatten die Polizei eingeschaltet, weil ihnen der Fall verdächtig vorkam. Eine Obduktion hatte nach Angaben der Ermittler bestätigt, dass das Kind „durch Fremdeinwirkung zu Tode gekommen“ war. Dringend tatverdächtig wegen Mordes: eine 25-jährige Erzieherin, die das Kind betreut hat. Vor dem mutmaßlichen Mord im April in Viersen hatte die Frau nach bisherigem Ermittlungsstand zwischen 2017 und 2019 in Krefeld, Kempen und Tönisvorst mehrere Kinder so schwer verletzt, dass sie womöglich dem Tod nur knapp entgangen sind. Immer ging es um Atemnot. Immer geschahen die Taten, während die Kinder schliefen. Immer ging es um Kinder, die laut Aussagen von Eltern und anderem Kita-Personal stets kerngesund und munter waren.

Die Krefelder Kita hatte
sehr früh Bedenken

Markus Schön, Beigeordneter für Bildung, Jugend, Sport, Migration und Integration in Krefeld, hat den Fall intensiv verfolgt – und die Abläufe in Krefeld beleuchtet. „Das Problem ist, dass grundsätzlich sehr intensiv darüber nachgedacht wird, was von außen ins System eindringen kann. Aber dass es Menschen innerhalb des Systems sind, die Schaden zufügen, das hat man in der Regel nicht so auf dem Schirm.“ Es sei ein schmaler Grat: Einerseits müsse man alles tun, um die Kinder zu schützen. Andererseits dürfe man aber auch die Mitarbeiter nicht unter Generalverdacht stellen. In der Krefelder Kita war früh klar, dass die 25-Jährige nicht für den Beruf geeignet war. Das steht auch in einem Bericht von NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU).

Die Erzieherin war in allen vier Kita-Einrichtungen gescheitert, in denen sie gearbeitet hat. Bei ihrem Anerkennungsjahr in einer Krefelder Kita durfte sie demnach bis zum Schluss nicht allein mit den Kindern sein, da man ihr nicht das Vertrauen entgegengebracht habe, heißt es in dem Bericht an den Rechtsausschuss. „In der Krefelder Kita, wo sie das Anerkennungsjahr absolviert hat, war der Leitung schon nach kurzer Zeit klar, dass die Frau anscheinend für den Beruf wenig geeignet ist“, wird Manfred Joch, Leiter der Kriminalpolizei, zitiert. Sie habe keinen Zugang zu den Kindern bekommen und habe wenig Empathie aufbringen können. Dennoch machte sie letztlich nach dem Jahr in Krefeld den staatlichen Abschluss zur Erzieherin an einer Berufsschule. Seitens der Krefelder Kita sei ihr aber bescheinigt worden, „wenig geeignet zu sein“, so Manfred Joch. Dass sie dennoch die Ausbildung zur staatlich geprüften Erzieherin am Berufskolleg in Kempen erfolgreich beenden konnte, habe am theoretischen Teil der Prüfung gelegen, hieß es.

Der Fachkräftemangel kann einen gewissen Druck erzeugen

Genau da setzt Markus Schön an. Gerade in Fällen, wo mit Menschen gearbeitet werde, müsse man darüber nachdenken, Theorie und Praxis bei der Ausbildung anders zu gewichten. Es dürfe nicht sein, dass Lehrlingen in der Praxis die Eignung abgesprochen werde, sie aber durch gute theoretische Leistungen dennoch den Abschluss erreichen könnten. Der Krefelder Beigeordnete sagt, es sei nun Sache des Schulministeriums, die Ausbildungsregeln anzupassen. „Wir brauchen die Gewähr, dass die Menschen, die in Kitas arbeiten, auch dafür qualifiziert und geeignet sind.“ Ihm sei die Debatte „zu wenig intensiv“. Man habe in Krefeld aufgrund des Falls Abläufe hinterfragt und mit den Betroffenen gesprochen. Es sei notwendig sich bewusst zu machen, dass auch Gefahren im System lauern können.

Schön gibt aber auch zu, dass der enorme Fachkräftemangel an mancher Stelle gewisse Drucksituationen erzeuge. Es bestehe ein Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz, Eltern hätten die Möglichkeit, diesen auch einzuklagen. Da sei es nicht ausgeschlossen, dass in Einzelfällen auch Erzieherinnen eingestellt würden, die man sonst vielleicht nicht nehmen würde. Es müsse aber der Grundsatz gelten: Lieber den Eltern eine Absage für einen Kita-Platz schicken. Der Kinderschutz gehe vor.

Der Vorwurf gegen die 25-Jährige: Heimtückischer Mord

Im konkreten Fall war auch der Arbeitsvertrag der Erzieherin in der anschließenden Kita in Kempen wegen „fehlender fachlicher Kompetenz“ und fehlenden Engagements von der Einrichtung nicht verlängert worden. Auch der Arbeitsvertrag in Tönisvorst wurde nach der Probezeit gekündigt. An ihrer letzten Arbeitsstelle in Viersen war sie mit einer Kündigung einem vorzeitigen Ende ihres Arbeitsverhältnisses zuvorgekommen.

Der Vorwurf gegen die 25-Jährige lautet „heimtückischer Mord“. Das Kind hatte nach einer Corona-bedingten Pause am 21. April seinen ersten Kita-Tag in der Notbetreuung in Viersen. Teilweise alleine in einem Gruppenraum mit seiner späteren mutmaßlichen Mörderin. Gegen 13.20 Uhr will die Frau das Kind zum Schlafen hingelegt haben. Gegen 14.45 Uhr soll sie Kolleginnen informiert haben, dass Greta leblos wirkt. Das war sie auch. Der Notarzt kann das Mädchen zwar reanimieren. In der Viersener Kinderklinik wird sie aber nur per maschineller Atmung am Leben gehalten. Am 4. Mai, einen Tag nach ihrem dritten Geburtstag, stirbt Greta.

Seitdem die 25-jährige Erzieherin offiziell Beschuldigte in dem Verfahren ist, schweigt sie zu den Vorwürfen. Auf Anraten ihres Rechtsbeistands, wie Polizei und Staatsanwaltschaft sagten. Daher ist auch ein mögliches Motiv der Frau für die Tat bislang unklar.