Projekt "Stop & Go" U-Haft soll die Ausnahme sein

Junge Straftäter sollen möglichst nicht ins Gefängnis. Helfen soll dabei das Projekt „Stop & Go“.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Menschen zwischen 14 und 21 Jahren genießen besonderen Schutz — auch wenn sie mutmaßlich Straftäter sind. Jugendliche und Heranwachsende werden nach Möglichkeit nicht in U-Haft genommen.

Die Gründe, diese überhaupt anzuordnen, sind Flucht- und Verdunklungs- sowie Wiederholungsgefahr. Uwe Lambrecht, Jugendrichter am Amtsgericht Krefeld, hat einen konkreten Fall noch in frischer Erinnerung. Da hatte ein junger Mann in den sozialen Medien ein 13-jähriges Mädchen belästigt, und es fünf Tage nach dem ersten Verhandlungstermin erneut „blöd angeschrieben“, wie Lambrecht es formuliert. Das habe ein neues Ermittlungsverfahren ausgelöst. Wegen der Wiederholung wurde U-Haft angeordnet.

Die muss einen jungen Menschen nicht zwangsläufig ins Gefängnis bringen. Der Gründer des Projekts Stop & Go stellte Jugendrichtern, Staatsanwälten und Vertretern der Jugendgerichtshilfe jetzt eine Alternative vor. Bei Stop & Go werden Jugendliche intensiv betreut. In Uwe Lambrechts Augen ist dieser Ansatz klug: „Sinn ist ja nicht die Strafe, sondern die Resozialisierung. Und die soll so früh wie möglich anfangen.“

Der Erziehungsauftrag stehe im Vordergrund. „U-Haft soll die Ausnahme sein.“ Es gibt drei Stop & Go Einrichtungen im Land. Der Neukirchener Erziehungsverein ist eine davon, eine „ganz offene Einrichtung“, wie Lambrecht sagt. „Die Jugendlichen werden nicht eingeschlossen. Ein Stück ist das natürlich auch ein Problem.“ Das Programm kommt infrage, wenn einer der Haftgründe vorliegt. „Wenn ein Jugendlicher den dritten Raub begeht und drei Jahre Haft zu erwarten hat, kann U-Haft geboten sein“, erläutert Lambrecht — oder eben die Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung.

Sechs Plätze sind in Neukirchen-Vlyn ausschließlich für männliche jugendliche Straftäter reserviert. Sie werden 1:1 betreut. Gilt das Angebot für alle jugendlichen Straftäter? „Sie müssen sich einlassen und zugänglich für eine Therapie sein“, sagt Uwe Lambrecht. „Sie müssen sich ihrer Tat stellen.“ Erzieherische Maßnahmen, Auflagen und Weisungen spielen eine große Rolle. Peter Eichenauer hat das Angebot Stop & Go vor 17 Jahren entwickelt. Staatsanwälte und Richter begegnen dem nicht selten skeptisch. „Die Blickrichtung macht es“, sagt Eichenauer. „Die Juristen müssen erst lernen, dass es ein solches Angebot der Jugendhilfe ausgerichtet auf Straftäter gibt.“

70 bis 80 Fälle werden in den drei Stop & Go-Einrichtungen jährlich betreut, 400 Jugendliche und Heranwachsende (18 bis 21 Jahre) gehen landesweit in U-Haft. „Es hat sich schon viel verändert“, sagt Eichenauer, „aber es ist immer noch ein Missverhältnis.“

Wie Richter Lambrecht glaubt auch er, dass U-Haft verlorene Zeit ist. „Bei uns sind die Jugendlichen gleich in Bearbeitung“, sagt Peter Eichenauer. Handyverbote, Kontaktverbote zwischen Straftätern, Telefonate nur in Anwesenheit von Betreuern oder zeitlich befristeter Hausarrest seien mögliche Einschränkungen bei Stop & Go.

In höchstens sechs bis sieben Prozent der Fälle würde die Betreuung abgebrochen, erzählt Eichenauer, „manchmal auch von unserer Seite, weil sich ein Jugendlicher verweigert“. Informationen und der persönliche Kontakt zu dem Verein seien wichtig, betont Uwe Lambrecht.

Man könne besser einschätzen, ob es sich für einen Jugendlichen eigne. Dass er das Angebot jetzt, nach zwei Jahren als Jugendrichter, intensiver kennenlernt, lässt Lambrecht noch einmal neu auf die vergangenen Fälle schauen. Bauchschmerzen hat er dabei nicht: „Es war keiner dabei, der ein Kandidat für das Programm gewesen wäre.“