Wald-Serie: Der Stadtwald, das grüne Geschenk
Er geht auf eine Stiftung des Seidenfabrikanten Wilhelm Deuß zurück und ist zu einem beliebten Naherholungsgebiet für die Bürger geworden. Aber für den Wald liegt darin auch eine Gefahr.
Krefeld. Der edle Spender hieß Wilhelm Deuß. Im Jahr 1897 stiftete der Seidenfabrikant (1827 - 1911) anlässlich seines 70. Geburtstages der Stadt 35 Hektar Grund mit der Auflage, sofort mit der Errichtung eines Waldparks zu beginnen und legte noch einmal 20 000 Reichsmark als Starthilfe für die Baumaßnahmen oben drauf. Das war die Initialzündung für die Entstehung des Stadtwalds: eine für das ausgehende 19. Jahrhundert typische Anlage mit Parkrestaurant, weit geschwungenen Wegen und einem großzügigen Weiher. Auch die zentrale Rasenfläche erhielt schon damals ihre noch heute bestehende großzügige Form. Bei der Baumauswahl setzte der beauftragte Düsseldorfer Gartenarchitekt Fritz Rosorius auf eine Mischung aus Laub- (Buche und Roteiche) und Nadelwald (Kiefer, Eibe, Douglasie).
Schon 1901 konnten die Krefelder den noch rund 1,5 Kilometer vom Stadtrand entfernten Stadtwald nutzen und 1902 wurde auch die Waldschänke mit großem Biergarten feierlich eröffnet.
Der freizeitlichen Nutzung des Parks standen allerdings strenge Regeln entgegen. „Für die Durchsetzung der Parkordnung sorgte bis nach dem Zweiten Weltkrieg ein Parkwächter“, erklärt Almuth Spelberg, Landschaftsarchitektin und Parkhistorikerin der Stadt Krefeld. „Diesem stand am früheren Haupteingang an der Jentgesallee, wo damals noch die Straßenbahn hielt, sogar ein Parkwächterhäuschen zur Verfügung.“
Zutritt zum Stadtwald hatten in dieser Zeit nur ordentlich gekleidete Personen, denen außerdem das Gehen abseits der Wege untersagt war. Für die damals noch 80 bis 90 Stunden in der Woche arbeitenden Menschen wurde der Stadtwald aber trotz des umfassenden Regelwerkes schnell zu einer unverzichtbaren Freizeitstätte. Erst recht, als mit der ersten Erweiterung (1907), dem Ausbau des Stadtwaldhauses (1910), dem Bau der Pferderennbahn (1911), dem Großhüttenpark und der Vreed (beide 1926) die Attraktivität des Gesamtgeländes stieg. Der Ausbau zur Vreed stellte eine Anbindung des Stadtwaldes an den Krefelder Grüngürtel dar. In den 1920er-Jahren entwickelte Oberbürgermeister Johannes Johansen ein die Stadt umspannendes grünes Erholungsband (unter anderem Sollbrüggen- und Schönwasserpark), das in den weitläufigen alten Rheinarmen reichlich Platz fand und bis heute prägend ist. „Eine kommunale Leistung der Vorgänger, die mir allerhöchsten Respekt abverlangt“, so Spelberg.
Die Liebe der Krefelder zu ihrem Stadtwald mit seinem angenehmen Waldklima ist auch im 21. Jahrhundert ungebrochen. So hat jüngst die Krefelder Baudenkmalstiftung die Restaurierung des Deußtempels am Weiher in detailreicher Arbeit umgesetzt.
Besonders die Mischung aus Wald und Freizeitstätte mit vielen Sportanlagen (Golf, Tennis, Rennbahn, Pferdewege, Hockey, Bogenschießen) verleiht dem Stadtwald eine große Anziehungskraft. Doch genau in dieser hohen und dauerhaften Belastung des Waldes sieht Stadtförster Arno Schönfeld-Simon eine große Gefahr für die Natur: „Der gesamte Bereich liegt unter einem enormen ’Erholungsdruck’. So wird beispielsweise der Waldboden, ein ohnehin schon träges Ökosystem, durch Betreten permanent verdichtet. Eine eigenständige Regeneration des Waldbodens ist kaum noch möglich.“ Mit gravierenden Folgen: Artenvielfalt gibt es eigentlich nur noch in den nördlichen Randgebieten des Stadtwaldes. Hier hat der Wald die nötige Ruhe und er findet ideale feuchte Wachstumsbedingungen, die viele krautigen Pflanzen, wie Sauergräser, optimal gedeihen lassen.
„Viele Städter haben heute ein mangelndes Naturverständnis, wenn sie beispielsweise die Spazierwege verlassen oder beabsichtigen zum Grillen in den Stadtwald zu fahren. Letzteres ist natürlich absolut verboten. Ebenso ignorieren viele Hundebesitzer die Anleinpflicht im Wald.“ Besonders in den letzten Jahren aber macht sich Schönfeld-Simon auch aus anderen Gründen große Sorgen: „Mitten im Sommer fallen scheinbar große gesunde Laubbäume mit tragendem Blätterkleid einfach um. Da wir auch für die Verkehrssicherung der Wälder zuständig sind, stellt dieses Phänomen eine große Herausforderung für uns dar“, so der Experte.
Bei der Ursachenforschung arbeitet die Stadt eng mit der Forstwissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen und dem Geologischen Dienst NRW zusammen. Mehrere Meter tief ausgehobene Löcher sollen Auskunft über die Bodenarten sowie den Wasser- und Nährstoffhaushalt geben.
Aktive Maßnahmen zur Waldsicherung hat Schönfeld-Simon ebenfalls schon eingeleitet. Durch Kompensationskalkungen werden die Böden unterstützt und durch eigene Waldschadenkartierung soll der Überblick über die Vitalität der Bäume gewahrt bleiben. Zudem hat man bereits behutsam eine Umstrukturierung der Baumarten im Stadtwald eingeleitet. So werden nach und nach die 110 Jahre alten Roteichen entnommen und vor allem durch Buchen ersetzt.
Trotzdem blickt Schönfeld-Simon mit gemischten Gefühlen in die Zukunft: „Fehler, die vor Jahrzehnten begangen wurden, zeigen jetzt erst ihre Wirkung. Und so wird sich auch der Erfolg der Gegenmaßnahmen erst nach Jahren oder Jahrzehnten zeigen.“