Dichterin Nora Gomringer hat den Groove
Der Jazzklub führt Jazz und Poesie zusammen.
Krefeld. „Das ist ein schönes Geschenk, mit euch hier spielen zu dürfen“, sagt Nora Gomringer en passant zu den beiden Musikern an ihrer Seite. Der Jazzklub hat alle drei zur Jazz Poetry Session ins Theater eingeladen. Zum ersten Mal treffen die junge Autorin, Kontrabassist Robert Landfermann und Schlagzeuger Christoph Hillmann aufeinander, und was sie spontan zusammen zu Wege bringen, ist durchaus auch ein Geschenk für die Zuschauer.
Gomringer ist die Tochter eines Dichterfürsten, doch ist Nora ihrem Vater Eugen, einem der Schlüsselfiguren der Konkreten Poesie, zwar ins Autorendasein gefolgt, jedoch nicht in dessen Genre. Die Tochter verfasst Lyrik, die mehr Gegenstände kennt als die Sprache selbst, da bleibt der Schatten des Vaters fern.
Vom pointierten Epigramm bis zum Langgedicht in offener Form — Gomringer bedient verschiedene Lyrikmodelle und hat eine große Themenbandbreite zu bieten. Das hat zur Folge, dass sie sich nicht schon auf einen Ton festgelegt hat. Das wiederum ist dankbar für die Musiker.
Landfermann und Hillmann können zur Begleitung der Texte die Palette ihrer reichen Möglichkeiten weit ausschöpfen. Sie tun das, indem sie mal eckig frei, mal geräuschhaft, dann wieder gebunden romantisch agieren. Selten schießen sie übers Ziel hinaus.
Auch Gomringer agiert musikalisch, groovt sich oft auf die Rhythmen der Musiker ein oder nutzt geschickt deren Pausen, singt sogar wenige Passagen — und das gar nicht schlecht. Sie ist eine Spötterin. Ein „Bauernidyll“ etwa klingt bei ihr so: „Vater, Mutter — Rind.“ Dann aber verbreitet sie auch lyrische Melancholie: „Mit 27 Jahren beginne ich mich zu sorgen um die unbewahrten Erinnerungen.“
Friederike Mayröcker, der Lebensgefährtin Ernst Jandls, widmet sie einen langen Text, in dem sie beklagt, dass in dieser berühmten Autorenbeziehung die Frau in punkto Aufmerksamkeit zurückstehen musste. Meisterlich sind drei Gedichte zum Holocaust, in denen die Opferperspektive empathisch geteilt und die Täterperspektive gnadenlos bloßgestellt wird.