Rhein-Ruhr-Express Siemens entdeckt Bahnsparte neu
Konzern spricht nicht mehr vom Verkauf der Zugfertigung. Stattdessen gilt der Bereich jetzt als sehr zukunftsträchtig.
Krefeld. Vor knapp einem Jahr war die Stimmung im Krefelder Siemens-Werk auf dem Nullpunkt. Den Grund dafür lieferte Konzernchef Joe Kaeser. Der hatte der französischen Alstom-Gruppe die Übertragung der Siemens-Bahnsparte unter Führung der Franzosen vorgeschlagen. Der TGV hätte den ICE geschluckt. Im Gegenzug wollte Kaeser die Alstom-Energiesparte übernehmen. Das Geschäft platzte.
Inzwischen weht der Wind aus der entgegengesetzen Richtung. „Schienenfahrzeuge sind für uns von überragender Bedeutung“, sagte Jochen Eickholt, Chef der Bahnsparte, Montag im Krefelder Werk. Der Auftragseingang liege mit 9,3 Milliarden Euro über dem Umsatz von 7,2 Milliarden Euro. Und auch die Bruttorendite habe sich mit 7,3 Prozent erheblich verbessert.
Die fehlenden Gewinne waren ein Grund für Kaeser, über die Trennung von der Bahnsparte nachzudenken. Offiziell hat er diese Absicht zwar nie zurückgenommen, aber die Erfolge der Sparte lassen einen Verkauf als unwahrscheinlich erscheinen.
Seit dem 4. Quartal des vergangenen Jahres werden wieder schwarze Zahlen geschrieben. Und die Auftragsbücher sind voller denn je. Im Zentrum steht dabei das Werk in Krefeld, das 2500 Mitarbeiter zählt und als weltweit modernster Standort zum Bau von Schienenfahrzeugen gilt.
Ende 2017 soll der ICx als neue ICE-Generation ausgeliefert werden. 130 Züge hat die Bahn bestellt. Eine Option auf insgesamt 300 wurde unterzeichnet. Es ist mit 5,3 Milliarden Euro der größte Einzelauftrag, den die Bahn je vergeben hat.
Ab 2016 rollen die Regionalzüge aus Krefeld-Uerdingen auf der Thameslink-Linie durch London. Bestellt haben die Briten 1140 Züge. Auftragswert: rund 1,8 Milliarden Euro. Siemens baut nicht nur die Wagen, sondern übernimmt auch die Instandhaltung des Fuhrparks.
So läuft es auch beim Rhein-Ruhr-Express (RRX). Vor wenigen Wochen hat Siemens nicht nur den Auftrag zum Bau von 82 Zügen erhalten. Hinzu kommt die Wartung der Fahrzeuge in den nächsten 32 Jahren. Wert des Auftrages: 1,7 Milliarden Euro. Ab Ende 2018 sollen die ersten 15 Fahrzeuge den Betrieb aufnehmen.
Während Siemens für die Instandhaltung der RRX-Flotte in Dortmund ein neues Werk baut, sollten Entwicklung und Fertigung der Fahrzeuge ursprünglich komplett in Krefeld stattfinden. Das trifft nun nicht mehr zu. Ein Teil der Bestellung geht nach Österreich. Georg Lohmann, Sprecher des Konzerns für NRW, bestätigte am Montag auf Nachfrage, dass „ein großer Teil des RRX-Auftrages“ nicht in Krefeld abgearbeitet wird. „Die Doppelstockwagen kommen aus dem Siemens-Werk in Wien, die Drehgestelle aus Graz“, so Lohmann. Der größere Teil des Auftrags bleibe aber in Krefeld.
Offen ist nach wie vor, wer den RRX betreiben wird. Großes Interesse hat die britische Bahnfirma National Express Rail. Das Unternehmen wird ab Ende 2015 bereits die Strecken RE 7 (Krefeld-Köln-Rheine) und RB 48 (Wuppertal-Solingen-Bonn) anbieten.