Herr Preen, der Kommentar hat Sie als Wirtschaftsförderer, aber auch als Uerdinger Anwohner in Rage gebracht. An welchen Stellen?
Interview „Chemiepark: Motor für Uerdingen“
Krefeld · Eckart Preen von der WFG versteht die Befürchtung von Currenta wegen des Wohnprojekts Rheinblick.
Die WZ hatte vor kurzem berichtet, dass der „Rheinblick zum Greifen nahe sei“ und es noch in diesem Jahr zur finalen Offenlegung des Bebauungsplanes kommen könne. Dem hatte Chempark-Leiter Lars Friedrich umgehend widersprochen. Der darauf folgende WZ-Kommentar „Rheinblick: Chemiepark bremst Entwicklung aus“ (https://bit.ly/2CDLaIH) hat für Zustimmung, aber auch Ablehnung bei den Lesern gesorgt. Kritik kommt von Eckart Preen, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Die WZ sprach mit ihm.
Eckart Preen: Schon diese Überschrift kann nicht unwidersprochen bleiben. Ich bin in der Tat nicht nur als Wirtschaftsförderer dieser Stadt, sondern auch als Bürger von Uerdingen sehr froh über die Existenz des Chemparks an seiner jetzigen Stelle, garantiert er doch mit seinen zahlreichen Unternehmen nicht nur mehr als 7000 Arbeitsplätze und hunderte von Ausbildungsplätzen, sondern auch Steuereinnahmen und Kaufkraft am Standort. Ohne die würde ein erheblicher Teil des Handels-, Gastronomie- und Dienstleistungsangebotes in Uerdingen gefährdet sein. Wie man angesichts dieser Tatsache schreiben kann, der Chemiepark bremse die Entwicklung in Uerdingen aus, ist mir unbegreiflich. Vollends erschüttert hat mich dann aber die aufgeworfene Frage, inwieweit heutzutage der Standort eines Chemie-Werks in der Nähe von Wohnbebauung „überhaupt noch statthaft und zeitgemäß“ sei. Wie bitte? Reden wir hier jetzt etwa von „herannahender Industriebebauung“? Die Ursprünge dieses „Chemie-Werks“ in Uerdingen gehen bekanntermaßen auf das Jahr 1877 zurück.
Sie betonen als Wirtschaftsförderer die Bedeutung von Wohnen und Lebensqualität für einen blühenden, funktionierenden Wirtschaftsstandort. Welchen Stellenwert hat für Sie der Rheinblick für Uerdingen?
Preen: In Zeiten des Fachkräftemangels kommt den einstmals „weichen“ Standortfaktoren wie auch dem Wohnen zweifellos eine steigende Bedeutung zu. Krefeld sollte meines Erachtens daher gerade in den von Düsseldorf besonders gut per ÖPNV erreichbaren Stadtteilen die Chancen des „Überschwappeffektes“ nutzen. Hierfür bietet der Flächennutzungsplan ja eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die nun auf ihre Umsetzung warten. Der Rheinblick ist sicher aufgrund seiner Lage ein besonders interessantes, aber eben auch schwieriges Bauvorhaben. Ich sage seit Jahren, dass ich auf eine Vereinbarkeit dieser Konzeption mit den legitimen Interessen des Chemparks hoffe. Daran hat sich nichts geändert. Ich denke zudem, dass viele Akteure, auch in der Krefelder Stadtverwaltung, engagiert an einer Lösung arbeiten. Polarisierende und emotionalisierende Zeitungskommentare sind in diesem Zusammenhang jedoch alles andere als hilfreich. (Anmerkung der Redaktion: Ein Kommentar ist ein als Meinung gekennzeichneter Text, der bei einem Thema mit öffentlichen Interesse eine Meinungsäußerung provoziert und zur Betrachtung von verschiedenen Seiten einlädt.)
Welchen Stellenwert für die Wirtschaft und den Standort Krefeld hat der Chemiepark für Sie?
Preen: Neben den eingangs schon genannten Hauptargumenten sollte man in diesem Zusammenhang auch das umfangreiche Engagement des Chemparks und seiner einzelnen Unternehmen im Breitensport sowie in Kultur und Bildung erwähnen, nicht zuletzt im Rahmen der MINT-Förderung an Schulen. Und was die Arbeitsplätze angeht, ist es eine Tatsache, dass gerade die Chemiebranche insgesamt in Krefeld in den vergangenen zehn Jahren mit einem Zuwachs von rund 1000 Beschäftigten einer der wichtigsten Jobmotoren gewesen ist – und eine weitere Tatsache, dass auch ein Großteil der Dienstleistungsunternehmen in Krefeld ohne die Industrie gar nicht existieren könnte.
Sie wohnen seit 2006 in Uerdingen. Mögliche Emissionen und Risiken an diesem traditionellen Industriestandort waren Ihnen bewusst und Sie haben sie akzeptiert. Sehen Sie, mit diesem Wissen, die Befürchtungen des Chemieparks gerechtfertigt, dass Neu-Bewohner gegen ansässige Firmen klagen könnten?
Preen: Lassen Sie mich zunächst noch ergänzen, dass ich sehr gern in Uerdingen wohne – auch wenn ich im Sommer auf der Terrasse manchmal das Rattern der Güterzüge höre. Das ist für mich immer noch besser, als wenn diese Güter auch noch alle per Lkw transportiert würden und die Straßen zusätzlich verstopfen würden – irgendwie müssen sie ja von A nach B kommen. Mir ist diese Wohlstandsmentalität, der zufolge die von der Industrie gefertigten Produkte selbstverständlich sind, die (potenziellen) Nachteile hingegen irgendwo weit außer-
halb des eigenen Blickfeldes angesiedelt sein sollen, ein Gräuel. Oder auch Menschen, die in die Nähe eines Flughafens ziehen, um den Ferienflieger nach Mallorca stets in Sichtweite zu haben, und die dann gegen Fluglärm klagen. Dasselbe gilt auch in der Nähe von Gewerbe- und Industrieparks, und da es solche Menschen nach meinem Empfinden immer häufiger gibt, sind die Befürchtungen eines jeden Industrieunternehmens bei „herannahender Wohnbebauung“ nachvollziehbar.
Auch anderswo in Krefeld gibt es die jahrzehntelange, gewachsene Nähe zwischen Industrie/Gewerbe und Wohnbebauung, etwa die Edelstahlwerke/Outokumpu, Evonik, Siempelkamp. Wird das aufgrund verschärfter Umweltschutzgesetze für die Betriebe zum Problem? Oder gibt es sozusagen einen Bestandsschutz (lt. geltendem Immissionsschutzgesetz und des in 1974 in Kraft gesetzten Abstandserlasses) und damit eine Vereinbarkeit für den Wirtschaftsstandort Krefeld?
Preen: Vielen Dank für diese Beispiele, schließlich nennen Sie hier vier weitere Großunternehmen mit zusammen rund 5000 Beschäftigten in Krefeld, die an drei ebenfalls traditionsreichen Standorten sitzen: Alle wurden schon vor mehr als 100 Jahren begründet, als logischerweise noch keiner der heute im Umfeld lebenden Menschen auch nur geboren war, geschweige denn seine Wohnort-Entscheidung getroffen hatte. In der Tat müssen aber auch diese und andere Industrieunternehmen in Krefeld und anderswo die Entwicklung in ihrem jeweiligen Umfeld sowie die aktuelle Gesetzgebung und Rechtsprechung heutzutage aufmerksam verfolgen – gerade wenn dann auch einseitig für eine neue Wohnbebauung Partei ergriffen wird. (gekürzt)