Zu wenig Personal: Polizei muss Aufgaben abgeben

Die SPD-Landtagsabgeordnete Ina Spanier-Oppermann und Wolfgang Lindner von der Gewerkschaft der Polizei im Gespräch.

Krefeld. Mittwochmorgen in der SPD-Zentrale am Südwall. Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Krefeld, Wolfgang Lindner, trifft für die WZ auf die SPD-Landtagsabgeordnete Ina Spanier-Oppermann. Das Thema: Die Personalprobleme bei der Polizei und die Befürchtung, dass die Ordnungshüter künftig ihre Aufgaben nicht mehr erledigen können.

Lindner legt erst einmal zwei Karikaturen auf den Tisch. Auf einer steht großformatig ein Polizeibeamter vor der Haustür, die ihm von einem bandagierten Mann geöffnet wird. Er ist offenbar zusammengeschlagen und schwer verletzt worden. Zitat des Polizeibeamten: „Sie hatten vor zwei Tagen die Polizei gerufen?“

Das ist überspitzt, freilich. „Aber es steckt viel Wahrheit drin“, meint der Erste Polizeihauptkommissar. Im Hauptberuf ist der 54-Jährige Leiter der Hansawache und sagt: „Es wird immer mehr bis zum Anschlag gedreht. Die Kollegen gehen auf dem Zahnfleisch.“ Gut fünf Prozent weniger Mitarbeiter bis 2020 prognostiziert die Gewerkschaft, das sind 1800 Stellen landesweit, 27 allein in Krefeld. „Wenn wir das auffangen wollen, müssen wir uns von Aufgaben verabschieden“, sagt der Polizist.

Er hat viele Beispiele parat, warum Polizisten nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht. Denn bei knapperer Personaldecke haben sich die Aufgaben in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten teilweise dramatisch verändert, vor allem haben sie zugenommen. „Da hatten wir keinen Straßenstrich. Rockerbanden kannten wir nur aus dem Fernsehen. Eine Großdiskotheken- und Türsteher-Problematik gab es vor zehn bis 15 Jahren nur in den Metropolen. Fußballfans, die ganze Hundertschaften beschäftigen, gab es in der ersten und zweiten, vielleicht noch in der dritten Liga. Jetzt haben wir sie bis in die Kreisklasse hinein. Die Überwachung entlassener Sexualstraftäter, deren Sicherungsverwahrung aufgehoben worden ist, weil die Rechtsprechung nicht korrekt war, sind irrsinnig personalaufwendig. Computerkriminalität, die wir vor 20 Jahren nur aus Science-Fiction-Filmen kannten, beschert uns heute tausende Geschädigte. Wenn ich zu dem Kollegen ins Büro gehe, der das bearbeitet, muss ich ihn hinter Aktenbergen und Umzugskisten voller Papier suchen.“

Lindner kommt kaum zum Luftholen, so viel liegt ihm auf der Seele. Da ist etwa noch die Spurensicherung mit ihre neuen und komplexen Methoden. Reisende Tätergruppen machen den Ermittlern zu schaffen, was nicht zuletzt auf die Öffnung der Grenzen zurückzuführen sei. „Das ist romantische Vergangenheit, dass wir morgens bei Dienstbeginn ein paar Tipps bekommen und dann den Kriminellen in der Stadt festnehmen.“ Hinzu kämen höhere Ansprüche der Bürger an die Polizei — „mit Recht“, wie Lindner sagt —, aber auch durch die Rechtsprechung. All die Kollegen, die in Zeiten des Terrorismus in den 70er Jahren eingestellt wurde, würden in den nächsten Jahren pensioniert, womit sich Riesenlücken auftäten. 1700 müssten in NRW jährlich eingestellt werden, um das aufzufangen.

Die Landtagsabgeordnete Ina Spanier-Oppermann hat viel Verständnis für die Situation der Beamten — aber auch die gesamte Haushaltssituation des Landes im Blick. Für Lindner überraschend, hat sie dennoch eine positive Nachricht mit ins Gespräch gebracht: Im Innenministerium wird geplant, künftig jährlich 1500 statt der geplanten 1400 Polizisten einzustellen. Dadurch soll die Abbrecherquote von gut 80 Auszubildenden pro Jahr aufgefangen werden. „Nach unserer Rechnung wird es in den nächsten sieben Jahren 1300 Polizeibeamte weniger geben“, hält die Politikerin den GdP-Zahlen entgegen. Damit die Polizei leistungsfähig bleibt, werde sie Aufgaben abgeben müssen, ist die Politikerin überzeugt. Sie denkt etwa an Wachschutz, aber auch die Begleitung von Schwertransporten. Das Ziel: Konzentrieren auf die Kernaufgaben.

Ab 2006 sei es versäumt worden, die veranschlagten Einstellungen von 1100 Polizeibeamten pro Jahr zu verwirklichen. „Da sind dann jährlich nur 500 eingestellt worden“ — diese Last aus der schwarz-gelben Zeit schleppe man nun mit. Spanier-Oppermann blickt aufs Gesamtinteresse des Landes: „Das Damoklesschwert der Schuldenbremse schwebt über uns.“ In allen Bereichen müsse das Land sparen. Vorstellbar sei bei der Polizei, in Technik zu investieren, um die Arbeit des Personals zu erleichtern — etwa durch Datenabfragemöglichkeiten im Streifenwagen oder die Erledigung von Aufgaben zu Hause.