Buchveröffentlichung Zusammenspiel von Gehirn und Darm: Wenn Kopf und Bauch sich streiten
Helios-Klinikdirektor Thomas Frieling hat ein Buch verfasst, dass dem Zusammenspiel von Gehirn und Darm auf den Grund geht.
Krefeld. Vielleicht sollten wir öfter auf unseren Bauch hören. Es ist nämlich nicht nur ein Gefühl, sondern gleich ein ganzes Universum, das in unserem Bauch das Sagen hat. „Wir haben zwei Gehirne“, erklärt Thomas Frieling, Klinikdirektor der Inneren Medizin am Helios-Klinikum Krefeld. „Das Bauchhirn erledigt seine tägliche Arbeit ganz alleine und lässt sich vom Gehirn im Kopf nicht viel sagen.“ Dennoch stehen Bauch und Kopf in einem regen Dialog, über den Frieling gemeinsam mit zwei Kollegen jetzt ein Buch geschrieben hat. In „Darm an Hirn!“ decken die Wissenschaftler den geheimen Dialog und seinen Einfluss auf unser Leben auf.
Die Autoren sind führende Experten: Paul Enck, medizinischer Psychologe an der Universität Tübingen, Michael Schemann, Humanbiologe an der Technischen Universität München und der Krefelder Neurogastroenterologe Thomas Frieling. „Ein Kliniker, ein Grundlagenwissenschaftler und ein Psychologe, das ist ein gutes Team“, sagt Frieling. Die Drei haben das Fach von der Pike auf erkundet. 1989 gründeten sie „Little Brain Big Brain“, eine Vereinigung junger Forscher, die eifrig an Rätseln knobelten, die sich rund um das Thema Verdauung und Darm stellten. „Pupsforschung“ lautete damals das spöttische Kollegenurteil. Damals war die Science-Slam-Autorin Giulia Enders noch gar nicht geboren und ihr Buch „Darm mit Charme“ war noch kein Welterfolg, als sich das Trio aufmachte, den Verdauungstrakt und somit wissenschaftliches Neuland näher zu erkunden.
Thomas Frielings Karriere begann mit viel Wagemut — und verschluckten Mozartkugeln als Sonden. Seine Frau verließ bei diesen Selbstversuchen immer entnervt das Haus und ging spazieren, verrät er im Buch. Als er herausfand, wie er Sonden mit Elektroden versehen musste, um Nervenbahnen systematisch zu untersuchen, erregten seine Versuchsergebnisse internationales Aufsehen und Frieling durfte in Amerika Vorträge halten.
Er erhielt ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft und arbeitete zwei Jahre an der Columbia University. Hier lernte er seinen Co-Autor Michael Schemann kennen, mit dem er in der Freizeit gerne Motorrad fuhr. Heute bevorzugt der bekennende Schleifenträger Frieling die Fahrt im Cabriolet. An dem Mediziner ist übrigens ein talentierter Künstler verloren gegangen. Eigentlich zog es den gebürtigen Kölner an die Kunstakademie, doch sein sehr gutes Abitur trieb ihn in die offenen Arme der Medizin. „Kunst ist mein zweites Leben“, sagt der Professor, der beim Malen „maximal entspannt“. Frielings Klinikräume ähneln einer Galerie. Vor drei Jahren hat er seine Motive um das Bauchhirn erweitert. Ein Triptychon von 2015 zeigt das Geflecht unterschiedlich eingefärbter Nervenzellen. Und was wie Monets Seerosen aussieht, sind ebenfalls Bilder des enterischen Nervensystems.
Zu Dritt ein Buch zu schreiben, war eine Herausforderung, gibt Frieling zu. Dass es geklappt hat, ist nicht zuletzt der Journalistin Petra Thorbrietz zu verdanken, die Themen wie „Kann der Darm lernen?“ für Nichtmediziner lesbar aufbereitet hat. Der Leser erfährt, dass der Darm Mammutarbeit leistet: Im Laufe eines Lebens passieren ihn etwa 30 Tonnen Nahrung und 50 000 Liter aufgenommene Flüssigkeit.
Auf dem langen Weg vom Mund bis zum After kann es zu vielen Kommunikationsproblemen kommen. Manche davon sind lebensbedrohlich, andere, wie etwa der Reizdarm, rauben „nur“ die Lebensqualität. Aufstoßen und Verstopfung, Durchfall, Blähungen und Krämpfe können alle Folge einer Nervenkrankheit im Bauchhirn sein — Millionen Menschen sind allein in Deutschland betroffen. „Darm an Hirn!“ zeigt, welch großen Einfluss der Darm auf Vorgänge im Körper, auf unser Denken und Fühlen hat. Unterhaltsam, für Laien verständlich, aber immer wissenschaftlich fundiert geben die Autoren Einblick in ihr faszinierendes Forschungsfeld. „Eine Forschungsreise tief in das Innere unserer Existenz“, wirbt der Herder-Verlag für das Buch. Die Autoren sind überzeugt, „dass die Erforschung des Bauchhirns die Medizin weiterbringen und in vielen Fällen des Rätsels Lösung sein wird“.