Ausstellung über Mode in der Nazizeit: Neugier und Beklemmung
Die Ausstellung über die Mode in der Nazizeit zieht aus der ganzen Region Besucher an. Am Sonntag wurde das Museum förmlich überrannt.
Ratingen. Mode ist zunächst einmal unschuldig. Dennoch: Wer sich derzeit im Industriemuseum Ratingen des Landschaftsverbands Rheinland umschaut, empfindet schnell Beklemmung. „Glanz und Grauen“ heißt die Ausstellung, die Kleidungsgeschichte der 1930er- und 1940er- Jahre aufzeichnet.
Was daran so sehr betroffen macht, ist die Frage, was die Menschen in diesen Uniformen und Kleidern wohl erlebt haben mögen. Waren es Täter oder Opfer? Diese Frage stellt sich auch Hilde Brabach: „Die Kleiderpuppen stehen jetzt so leblos da. Aber darin steckten ja mal Menschen, die irgendeine Bedeutung hatten.“
Sie sei hergekommen, um mit der Vergangenheit Deutschlands engeren Kontakt aufzunehmen. Aber jetzt stelle sich leider nicht das Gefühl ein, näher an der Wirklichkeit von einst zu sein.
Das sieht Roderich Terbold völlig anders: „Für mich ist das fast so, als stünde die Generation meiner Großeltern direkt vor mir.“ Er habe sich schon immer gefragt, wie die Kleidung, die er aus Filmen kennt, wohl in der Realität auf ihn wirken mag. „Es sind ja sehr schöne Stoffe und Schnitte dabei“, sagt er. Darüber könne man fast vergessen, dass die Zeit alles andere als angenehm gewesen sein müsse.
Enteignung, Raub und Mord, Entnazifizierung, Preisbindung und Kleiderkarte — all das sind Stationen, die nachgezeichnet werden und die deutlich machen, wie dicht neben dem Glanz das Grauen stand. Karl-Heinz Weber hat noch eine schwache Erinnerung daran, wie es damals wirklich war.
Er selbst habe ja auch solche Lederhosen und andere Kleidungsstücke getragen. „Es ist schade, wenn man nicht mehr unbefangen an die Mode der Kindheit zurückdenken kann. Ich wollte sie aber doch noch ’mal vor Augen haben. Aufbewahrt habe ich ja von damals nichts mehr“, sagte er.
Die Unbefangenheit gelingt Patricia Reichardt unterdessen sehr gut. „Das ist alles so fern für mich. Natürlich kenne ich die Erzählungen von damals. Aber das hat mit meinem Leben nicht mehr viel zu tun.“ Sie finde es einfach interessant, einen Abschnitt der Modegeschichte vor Augen zu haben. Teile davon habe sie schon auf Fotos gesehen, manches sei ihr komplett unbekannt. „Ich habe zum Beispiel nicht gewusst, dass auch solche Trachten getragen wurden“, sagt sie und zeigt auf eine Dirndl-Kollektion, die in der Tat ungewöhnliche Stücke enthält.
Das Industriemuseum ist am Sonntag von Besuchern förmlich überrannt worden. An guten Tagen finden normalerweise knapp 100 den Weg zur Cromforder Allee, am Sonntag drängten sich fast 300 Interessierte aus der ganzen Region an der Kasse, um die neue Ausstellung zu sehen.
Museumsleiterin Claudia Gottfried musste eine zusätzliche Führung anbieten. „Wir haben die Führungen mit 20 Personen begonnen und mit 60 aufgehört. Unterwegs haben sich immer mehr Leute drangehängt.“ Von dem Riesenandrang sei sie selbst überrascht. „Wir zeigen ja Dinge aus einer Zeit, die nicht nur Schönes konnotiert.“
Viele ältere Besucher haben die Museumsleiterin anschließend direkt angesprochen und eigenes „Material“ angeboten: Fotos, Kleidungsstücke, Accessoires. Sie sollen ebenfalls gesichtet werden. Überhaupt gab es auch viele positive Reaktionen — vor allem von der Generation der „Alt-68er“.
Gottfried: „Es gab Lob dafür, dass wir diese Ausstellung überhaupt gemacht haben. Manche sagten, dass sie so vieles über die Nazizeit schon gewusst hätten, aber heute noch viel Neues dazugelernt haben.“ Das wohl schönste Lob bekam die Museumschefin von einer Seniorin: „Genau so war’s gewesen. Ich war nämlich dabei.“