Die Kunst lernte er so ganz nebenbei

Bernd Engberding verdiente seinen Lebensunterhalt als Handwerker, ließ sich gelegentlich mit Kunstwerken bezahlen. Bis er selbst die Künstlerlaufbahn einschlug.

Erkrath. Die Frauen-Silhouette, die in Erkrath auf jedem seiner Bilder zu sehen ist, hat Bernd Engberding beim Groß-Kollegen Ernst Ludwig Kirchner kennen und lieben gelernt. Sie hat ihm derart gefallen, dass er nach ihrem Vorbild einen hölzernen Druckstock anfertigte, ihn mit Ölfarben versah und auf großformatigen Zeitungsseiten in immer neuen Variationen verewigte. Mit Tusche wurde hier und da noch nachkoloriert und, voilà — aus dem Zeitungsartikel und der darüber gedruckten Figur wird eine Collage, die ein Stückchen Welt zu bedenken geben will.

Etwa, wenn die auf dem Zeitungsfoto gezeigte Frau so gar nicht mit Kirchners Ideal-Silhouette übereinstimmt, und der Text nach gängigen Schönheitsvorstellungen fragt. Oder wenn die Zeitungszeile „Me too“ über den Kirchner-Körper läuft und damit nicht nur auf das gegenwärtig heiß diskutierte Thema verweist, sondern auf dessen lange, tabuisierte Vorgeschichte. Ein schöner Kunstgriff, den sein Schöpfer Engberding uns unter dem Titel „Agnes Kirchner, geborene Müller, erklärt die Welt“ vor Augen führt.

Foto: Stephan Köhlen

Es ganz sicher einer der längsten Ausstellungstitel der Welt, und er hat einen biografischen Hintergrund. „Das ist meine Mutter, die mir die Welt erklären wollte, das aber gar nicht konnte. Jetzt tue ich es“, erklärt der Maler und Bildhauer, der lange Jahre einen Handwerksbetrieb für Sanitär und Heizung hatte, nie eine Akademie besuchte, aber nebenbei dennoch viel über die Kunst lernte.

Weil er nämlich nicht bloß für jedermann, sondern bevorzugt in der Düsseldorfer Künstlerszene handwerkerte, und zwar ein bisschen nach der Mutter-Ey-Methode: Von den damals noch gar nicht so berühmten Auftraggebern wie Immendorff, Uecker, Rübsam und Thaddäus ließ er sich das Material mit Geld und die Arbeitszeit nicht selten mit einem Kunstwerk bezahlen.

Und natürlich schaute er den großen Meistern auch gelegentlich bei ihrer Arbeit genau auf die Finger, während er als Handwerker im Haus war. Auf diese Weise kam Bernd Engberding zu vielen Einsichten und einer beachtlichen Kunstsammlung, aus der er allerdings immer wieder etwas zum Überleben verkaufen musste, als er die Klempnerei schließlich hinschmiss, um selbst Künstler zu werden. Mittlerweile lebt er ganz gut davon, mit eigenem Atelier in Düsseldorf-Bilk und gelegentlichen Nebenjobs. Kleinere Kunstwerke gibt es bei ihm schon für 50 Euro, bei den Holzdrucken sind Interessenten mit 500 Euro dabei.