Ein Erkrather auf den Spuren eines Räuberhauptmanns

Karl-Heinz Kieckers hat Neues über den berüchtigten „Kob Hannes“ herausgefunden. Er entzaubert eine Legende.

Foto: Mikko Schümmelfeder

Erkarth. Kartenspielen mit den Spießgesellen: Das soll Kob Hannes’ letzter Wunsch gewesen sein, bevor ihm endgültig das letzte Stündlein schlug. Glaubt man dem Sagenerzähler Otto Schell, so soll der berüchtigte Räuberhauptmann sorglos und heiter gezecht haben, bevor sich der zum Hof an der Schöllersheide angereiste Scharfrichter seiner annahm. Dass er quasi im Vorbeigehen geköpft worden sein soll, brachte ihm seinen Spitznamen „Kob Hannes“ ein.

Aber was ist wirklich dran an der Geschichte? Schließlich ist Otto Schell ein begnadeter Sagenerzähler — und die nehmen es bekanntlich mit der Wahrheit nicht so genau. Heimatforscher Karl-Heinz Kieckers jedenfalls schüttelt schmunzelnd den Kopf über so viel Fabuliererei. Der Erkrather ist ein profunder Kenner des Lebenswandels von Johannes Heimrath alias „Kob Hannes“. In den vergangenen Jahren hat er sich auf Spurensuche begeben und was dabei herauskam, lässt aufhorchen.

Karl-Heinz Kieckers, Heimatforscher

Demnach soll der gute Heimrath ein Doppelleben geführt haben. Tagsüber braver Weber und nachts auf Diebestour in der Nachbarschaft: Der Mythos, der „Kob Hannes“ in eine Reihe mit den Großen seiner Zunft stellt, wird entzaubert. Der „Fetzer“ am Niederrhein oder der „Picard“ aus den Niederlanden: Da gab es andere Kaliber, denen unser Räuberhauptmann aus der Provinz nicht das Wasser reichen konnte. Der „Schinderhannes“ soll im Hunsrück gar eine Bande von über 50 Berufskriminellen befehligt haben. Unser Weber vom Auerbaum hingegen scharte ein paar Gelegenheitsdiebe um sich, zu denen auch seine Geschwister gehört haben sollen. Quasi ein Familienunternehmen, das über Jahrhunderte hinweg zum Großkonzern stilisiert wurde. „Heimrath betätigte sich zunächst als Hehler und Mitläufer in anderen Banden“, weiß Karl-Heinz Kieckers. Die Räuberkarriere habe ohnehin erst mit Mitte 30 und damit vergleichsweise spät begonnen.

Und gleich geht’s schon weiter mit der Entzauberung einer Legende, die sich hartnäckig bis in die Gegenwart hinein erhalten hat. Denn der „Kob Hannes“ sei dazu auch noch romantisiert und zum edlen Räuber gemacht worden. Dabei seien keinerlei Wohltaten überliefert, so Karl-Heinz Kieckers. Lediglich der Tausch einer Milchziege gegen einen stinkenden Bock lasse sich aus den Annalen nachvollziehen. Aber sonst? Nichts dergleichen, was Johannes Heimrath zu einem „Robin Hood vom Dorfe“ hätte werden lassen können.

In Schöller jedenfalls wird bis heute an der Legende gestrickt, dass der in Ungnade gefallene Räuber mit Honig bestrichen wurde, um ihn zum Bienenopfer zu machen. Ob es wirklich so war? Das weiß auch Karl-Heinz Kieckers nicht. Dass der Gauner dort für drei Tage eingesperrt wurde, um die Namen seiner Kumpane zu erpressen, scheint jedoch nahe an der Wahrheit zu liegen.

Dann ist da aber auch noch die Geschichte mit der vermeintlichen Flucht in die Niederlande, die ihm besagten Spotvers eingebracht hatte: „Wer stehlen will und will nicht hangen, muss sich in Schöller lassen fangen“. Was so viel heißt, wie: In Schöller schaffen sie es nicht, ihre Gauner hinter Schloss und Riegel zu halten. Jetzt können sie dort wieder aufatmen. Denn so könne es nicht gewesen sein, glaubt Kieckers, der die Zeitabläufe durchforstet hat.

Gitter am Fenster, das Turmzimmer ausgestattet mit Plumpsklo und Kamin, und dazu überall Spinnweben: Schaut man heute in den Turm, erzählt das alte Gemäuer viele Geschichten. Ob Sagenschreiber Otto Schell dabei die Fantasie durchgegangen ist? Kann schon sein, ist aber auch egal. Alles andere wäre wohl auch kaum genug gewesen, um damit Bücher zu füllen. Von Kob Hannes weiß man übrigens noch, dass er auf seinen Diebestouren meist zu Fuß unterwegs gewesen sein soll. „Da sein Quartier in der Nähe der vielbefahrenen Strata coloniensis lag, wuchsen ihm die Trauben geradezu in den Mund“, glaubt Karl-Heinz Kieckers. Auch sein Ende sei eher unspektakulär gewesen. Als Hintermann eines missglückten Überfalls eher zufällig von einer Bürgerwehr aufgegriffen, sei er später an der Schöllersheide gehängt worden. Am Galgen oder am Baum? Man könnte gleich schon weiter graben in den Geschichten von anno dazumal . . . .