Kanäle: Parallelwelt unter unseren Füßen
Die unterirdischen Kanäle sind ein Labyrinth aus Röhren und Kammern, das kaum ein Bürger kennt. Eine Reportage.
Erkrath. Unbeachtet und unscheinbar steht ein kleines Backsteinhäuschen an der Düsselaue kurz vor dem Toni-Turek-Stadion. Die schwere Stahltür wird nicht oft geöffnet - wenn aber doch, dann gelangt man in einen kleinen Vorraum, in dem an einer Wand unzählige Lämpchen blinken. Ein altes Telefonhängt verstaubt daneben, ein kleiner Tisch steht gegenüber. Es ist die Schaltzentrale einer ganz anderen Welt, die unter unseren Füßen liegt.
Eine kleine Treppe mit orangefarbenen Fliesen führt hinab in einen kurzen, schmalen Gang. Schummrig ist hier das Licht, Fenster gibt es nicht. Um die Ecke versperrt eine schwere Stahltür den Weg. Vergleiche mit einem U-Boot drängen sich auf, wenn man durch das dicke Bullauge in der Stahlpforte blickt.
Als die Tür sich quietschend öffnet, steigt einem ein etwas modriger Geruch entgegen. Es dauert es eine Weile, bis die Neonröhren den dahinterliegenden Raum erhellen und eine große Halle aus rohem Beton sichtbar wird.Rohre verlaufen kreuz und quer unter der Decke, und ein Steg eröffnet sich, an dessen beiden Seiten eine schmale Betonwand verläuft.
Auf der einen Seite fließt in einer Rinne Wasser vorbei. Dieses Wasser ist die Ursache des muffigen Geruches — die Abwässer von Alt-Erkrath.Das Regenüberlaufbecken an der Düsselaue ist eine der letzten Stationen, die das Wasser passiert, bevor es nach Düsseldorf ins Klärwerk Süd abgeleitet wird.
Normalerweise bleibt das Wasser in der kleinen Rinne— regnet es aber so stark, dass der Kanal überfüllt ist, öffnet sich eine Schleuse und das Wasser kann in die erste große Kammer des Überlaufbeckens strömen. 1680 Kubikmeter Wasser fasst diese Kammer, ist auch diese überfüllt, gibt es noch eine zweite. „Die ist etwas kleiner als die erste“, sagt Kerstin Siebert vom städtischen Abwasserbetrieb.
Der Fall, dass auch die zweite Kammer nicht mehr ausreicht, um Wassermassen aufzunehmen, sei noch nie eingetreten, sagt sie. Dennoch: Es gibt Pläne für den Katastrophenfall. Ein breiter und wuchtiger Entlastungskanal ist an das Becken angeschlossen.Dunkel ist es, wenn man in die Röhre hineinblickt. Voran geht es nur mit einer Taschenlampe. Ein Erwachsener normaler Größe kann gerade so stehen im Abwasserkanal: 1,80 Meter misst er im Durchmesser.
Eiserne Sprossen an der Kanalwand führen nach oben Mit der Zeit steigt der Wasserstand im Kanal an, und es lässt sich bereits erahnen, wohin er führen mag — ein letztes Mal sind eiserne Sprossen in der runden Kanalwand zu sehen, die steil nach oben führen und unter einem Kanaldeckel enden. Vereinzelt haben sich Baumwurzeln einen Weg durch die Muffen des Kanales gegraben und wachsen ins Innere.
Es wird immer heller im Kanal und schließlich endet die Röhre vor einem eisernen Gitter, hinter dem die Düssel fließt. „Alle Öffnungen des Abwassersystems nach außen hin sind mit Gittern verschlossen“, sagt Siebert. Das soll verhindern, dass Menschen in die Kanäle gehen und sich dort verirren oder gar ertrinken.
Zurück zur Annahme, eine Wasserkatastrophe bräche herein: „Dann würde das Abwasser in die Düssel geleitet“, sagt Siebert. Dass mit dem Abwasser nicht nur das Regenwasser gemeint ist, versteht sich von selbst. „Würde das nicht geschehen, stünde der ganze Ortsteil unter Wasser“, sagt sie.