Schulbänke ziehen in altes Rittergut ein

Mehr als 870 Jahre Geschichte hat das Gut Morp erlebt. Ein neuer Mieter schlägt jetzt die Brücke zwischen Historie und Moderne.

Foto: Achim Blazy

Erkrath. Nonnenstift, Rittergut, Bauernhof - und jetzt: Pumpstation. Gut Morp hat den dänischen Weltmarktführer für Flüssigkeitspumpen Grundfos als einen neuen Mieter gewonnen. Vor drei Monaten zogen 25 Mitarbeiter der Marketingabteilung ins mehr als 870 Jahre alte Gemäuer.

Seit kurzem hat dort die Schulungsabteilung für Deutschland, Österreich und die Schweiz ihren Betrieb aufgenommen. Hier wird demnächst Wissen für die Industrie 4.0 umgewälzt. Auf den deutschen Leitmessen für Industrie und Elektronik läuft das Thema unter dem Stichwort „Internet der Dinge“. Bereits 2018 sollen zwischen 1000 und 1500 Kunden in rund 130 Schulungen auf Gut Morp lernen, was eine moderne Pumpe kann.

„Vom wenig beachteten Ausrüstungsgegenstand ist die Pumpe zu einer Steuerungseinheit für komplette Heizungs- und Wassersysteme sowie Industrieanlagen geworden“, sagt Frank Räder, zuständig für die Kundenschulungen. Ihn fasziniert die Mischung aus historischer Bausubstanz und modernem Innenleben auf Gut Morp.

Als beim Einzug der Denkmalschutz betont wurde, als es hieß, dass in die Wände und Balken weder Nägel noch Dübel hingetrieben werden dürfen, da klang die neue Heimat für Schulungen schon ein wenig gewöhnungsbedürftig. „Doch wenn man erst mal hier den Glasanbau und die hohen Decken erlebt hat, versteht man, glaube ich, warum wir in dieser Atmosphäre sehr zufrieden sind.“ Der Vorstand hat bereits in Erkrath getagt. Und auch der Enkel des Firmengründers überzeugte sich persönlich von der neuen Wissensbasis.

Offenes Mauerwerk und bis zu zwölf Meter hohe Decken garantieren Loft-Atmosphäre. Von Anfang an wurde bei der Modernisierung des alten Rittergutes darauf geachtet, historisches Gemäuer bestmöglich mit moderner Infrastruktur, viel Licht und Luft zu kombinieren.

Spätestens im sogenannten Showroom, wo eine moderne Pumpenanlage aufbaut, ist und gängige Betriebszustände in Echtzeit simuliert werden können, werden auch die letzten Skeptiker der Kombination aus alt und modern gewonnen. In einer Ecke gestattet ein Glasboden den Durchblick auf die Fundamente einer Holzburg, eine Motte, die vermutlich im ersten Jahrtausend nach Christus an der Stelle von Gut Morp stand. Von hier aus schlagen die fünf hauptamtlichen Trainer mit ein paar Sätzen den Bogen zur Gegenwart der Pumpe. In der alten und längst nicht immer so guten Zeit war sie ein simples Installationsteil. Ein Handwerker baute sie in ein Heizungs- oder Wassersystem ein, schloss das Kabel an und schaltete die Pumpe ein. Danach lief sie zwei, manchmal drei Jahrzehnte lang auf voller Leistung; solange bis sie kaputt war und ausgetauscht wurde.

Moderne Pumpen haben demgegenüber ein Hirn, eine Steuerungseinheit auf der Basis von Algorithmen. Sie prüfen, was in einer Anlage los ist. Und stellen die Pumpleistung präzise darauf ein. Als vor kurzem eine Delegation des Bonner Weltklimagipfels in Erkrath zu Gast war, staunte Claus Wilhelm Schieber Goehring, Unternehmer aus Guatemala, über die Energiesparmöglichkeiten durch solche eine flexible Pumpe, die mitdenkt: „Allein dafür hat sich die weite Reise schon gelohnt.“

Eingebunden in die virtuelle Wolke, die Cloud, fängt die Pumpe nun auch noch an, mit ihrem Betreiber zu sprechen. Via Handy-App können Betriebsdaten, Fördermengen, Laufleistung per Fingertipp ausgelesen werden. Auch eine Fernwartung ist so ganz einfach möglich.

Industriemeister und Handwerker alter Schule schütteln darüber vielleicht die Köpfe. Jetzt schreibt dieses Bauteil selber die Protokolle über die Arbeitswoche.