Von Goethe bis zur Seeräuber-Jenny
Elke Nußbaum erfüllte „Belsazar“ und „Der Totentanz“ sprachlich mit Leben. Eine unterhaltsame Lesung.
Erkrath. Kein Mucks war zu hören, als Elke Nußbaum im Millrather Haus der Künstler an der Dorfstraße ihre Lieblingsballaden vorlas. Im zentralen Raum, dem ehemaligen Klassenzimmer der Dorfschule, verbreitete nicht nur Kerzenlicht eine besondere Atmosphäre. Das Publikum schien sich auch auf einen besonderen Abend zu freuen. Bei einem Glas Wein und selbst gebackenem Kuchen plauderte man erwartungsvoll. Schnell zeigte sich, dass die vorsorglich aufgestellten Stühle längst nicht ausreichten. Sehr persönlich sei die Auswahl der vorgetragenen Balladen, sagte Elke Nußbaum.
Und dann fügte sie noch hinzu: „Ich muss mich dabei wohl fühlen“. Dass es ihr beim Vortrag der Balladen gut ging, konnte das Publikum zur Kenntnis nehmen, denn die Germanistin Elke Nußbaum las nicht nur, sie füllte die Texte mit Leben, indem sie minimalistische Hand- oder Kopfbewegungen machte, die Stimme je nach Dramatik anhob oder senkte oder auch mal flüsterte. Ein zusätzlicher Wohlfühleffekt entstand, weil die Zuhörer viele Balladen aus ihrer Schulzeit kannten. Die Ballade von den zwei Königskindern, die früher jedes Kind singen konnte, wurde genauso dankbar gehört wie „Die Füße im Feuer“ von Konrad Ferdinand Meyer. Das waren dann auch zwei Beispiele der unterschiedlichen Balladengattungen, über die Elke Nußbaum berichtete, nämlich die Volks- und die Kunstballade. Während die Volksballaden von Hoffnung, Trauer oder Freude berichtete und früher von Bänkelsängern singend und schauspielernd vorgetragen wurden, kennzeichne die Kunstballade zum Beispiel Lyrik, Dramatik und Epik.
Darum las Elke Nussbaum auch Heinrich Heines „Belsazar“, Goethes „Der Totentanz“ oder Fontanes „Das Trauerspiel von Afghanistan“, um nur einige der vorgetragenen Balladen zu nennen. Wie spannend sie sind, welche Sprachgewalt sie ausstrahlen, all das konnten die Zuhörer an diesem Abend erfahren. Im 20. Jahrhundert, so Nußbaum, wagten sich nicht mehr viele Schriftsteller an die Kunstform der Ballade. Ein Paradebeispiel jedoch war der krönende Abschluss des Abends: „Das Lied von der Seeräuber-Jenny“ von Bertolt Brecht erhielt sicherlich für viele Zuhörer in diesem Zusammenhang noch einmal ein anderes Gewicht. Sehr viele Interpretationen dieses „Liedes“ habe es bisher gegeben, sagte Elke Nußbaum.