Was der Neandertaler wohl so auf dem „Teller“ hatte?

Gemeinsam nehmen Till Knechtges aus dem Museum und das „Neandertal No. 1“ die Gäste mit auf eine kulinarische Experimentier-Reise.

Foto: Mikko Schümmelfeder

Erkrath/Haan. Ravioli-Dosen haben sie noch nicht gefunden. Auch von ausgegrabenen Tiefkühltruhen war unter Archäologen bislang noch nirgendwo die Rede. Oder gar zum Schlemmen ins McNeander? Fehlanzeige! Was bei unseren steinzeitlichen Vorfahren auf den vermutlich auch noch fehlenden Tisch kam, hat so gar nichts zu tun mit unseren modernen Essgewohnheiten. Wo heutzutage ein paar Pommes in die Fritteuse geworfen werden, galt damals noch nicht mal die Kartoffel als „erfunden“. Genauso wenig wie grüne Bohnen oder Tomaten. Alles zu modern, alles angebaut: Alles nicht brauchbar für ein zünftiges Steinzeitdinner.

Till Knechtges jedenfalls griff gleich schon zum Rotstift, als Caterina Klusemann ihm eine Liste mit möglichen Zutaten fürs Paleo-Menü vorlegte. Als Köchin denkt man eben anders als ein Experte der Ur- und Frühgeschichte. Da geht es um Gaumenfreuden, um Machbarkeit und nicht zuletzt darum, dass man nicht erst auf die Jagd gehen kann, um den Gästen ein Steak zu servieren.

Dass allerdings war auch gar nicht nötig. Denn im eiszeitlichen Wildgehege gibt es unter den Auerochsen ein paar männliche Protagonisten, die üblicherweise noch in jungen Jahren beim Metzger landen. Genau genommen bei der Metzgerei Rauschmann in Haan-Gruiten — und von dort kam dann auch das Fleisch fürs Auerochsencarpaccio, dass es im Neandertal No. 1 als Vorspeise gab. Dazu ein Wildsalätchen auf Pinienkernen mit Meeressalz und kaltgepresstem Hanföl.

Till Knechtges, Mitarbeiter des Neanderthal Museums

Es war schon irgendwie speziell, was den Gästen so serviert wurde. „Das ist hier experimentelle Archäologie“, kommentierte Till Knechtges heiter den Auftakt zu einer kulinarischen Reise in die Steinzeit. Weiter ging’s mit Fleisch-Porcini-Brühe, serviert am wärmenden Feuer. Und auch hier galt: Mal eben das Streichholz ans Holz halten, das geht gar nicht. Weil es sowas früher nicht gab — und weil es das deshalb auch beim Steinzeitdinner nicht geben durfte. Bei abendlichen Minusgraden zitternd an der Feuerstelle stehen und darauf warten, dass dort endlich irgendwas zum Brennen kommen möge: Das ist eine Erfahrung, die mit dem wärmenden Ofen im Rücken so etwas wunderbar Abenteuerliches hat. Für unsere Vorfahren hingegen dürfte es eine Frage von Leben und Tod gewesen sein, wenn das mit dem Funkenschlagen über einem Baumpilz in die sprichwörtliche Hose gegangen ist.

So ganz stilecht war es also nicht, dass alle nach der Höhlenbesichtigung hinterm Haus schnell wieder ins Warme eilten, um dort auf den gegrillten Auerochsen und die Wachteleier zu warten. Dazu gab’s Pastinaken (sehr zu empfehlen!) und als Nachtisch noch Kastanienmehlkuchen vom Feinsten: Hätte man sich das alles auch schon vor Jahrtausenden gegönnt, es wäre vermutlich eine große Schlemmerei geworden.

Till Knechtges war es schließlich, der den Feinschmecker von derartigen Illusionen befreite. „Es musste alles mühsam gejagt und gesammelt werden“, gab der Mitarbeiter des Neanderthal Museums einen Einblick in den steinzeitlichen Supermarkt, der so wenig gemeinsam hatte mit unserer modernen Lebensweise. Dem Vorurteil vom darbenden Neandertaler, der sich hungernd durch die Gegend geschleppt haben soll, konnte er jedoch ebenso wenig abgewinnen. Das sei so nicht gewesen — im Gegenteil, die Natur habe den Teller mit vielem füllen können, was nahrhaft und genießbar gewesen sei.

Möglicherweise ist auch schon mal jemand tot umgefallen, weil nirgendwo geschrieben stand, dass die verspeisten Pilze giftig waren. Versuch und Irrtum in der steinzeitlichen Küche? Ja, das könnte es durchaus gegeben haben. Wie wunderbar entspannend ist da im Vergleich doch so ein Paleo-Menü. Es schmeckt — und man kann auch noch bedenkenlos hinlangen, ohne nach dem ersten Happen um sein Leben fürchten zu müssen. Modern interpretiert — manchmal hat das ganz klare Vorteile.