Wie Tiere Lust aufs Leben machen
Durch ein Praktikum im Hochdahler Naturschutzzentrum hat Michelle (15) wieder neuen Mut gefasst. Möglich gemacht hat das der Sozialdienst SKFM mit seinem Projekt „Zündstoff“ für schulmüde Jugendliche.
Erkrath. Vor ein paar Monaten hatte Michelle jede Menge Probleme und auf nichts Lust, schon gar nicht auf Schule — jetzt hat sie einen ganz konkreten Berufswunsch: Tierpflegerin werden. Seit ihrem Praktikum bei Karin Blomenkamp im Naturschutzzentrum Bruchhausen ist das für die 15-Jährige beschlossene Sache. Sie hat dort gelernt, mit Tieren umzugehen, mit gesunden und kranken und mit solchen, die abseits stehen, von ihren Artgenossen gemobbt werden.
Sie kennt sich jetzt auch mit Teichtieren, mit Grünpflege und Umweltschutz aus und hat sich in die Vermittlung dieser Kenntnisse an Kinder eingearbeitet. Sie weiß auch, dass ohne Schulabschluss aus ihrem Traumberuf nichts wird und ist jetzt kurz davor, aus dem Zündstoff-Projekt wieder an eine Schule zu wechseln. „Michelle hat viele und große Fortschritte gemacht“, bilanziert Sozialpädagogin Anja Weyers. Und Karin Blomenkamp ergänzt: „Sie hat sehr viel Empathie für Tiere, das wäre ihre Welt.“ Durch ihre Tierliebe, die immer schon da war, und die gute Zusammenarbeit zwischen SKFM und Naturschutzzentrum hat Michelle jetzt also das, was man eine neue Perspektive nennt. Und ganz viel hinter sich gelassen: Trennung der Eltern, das Hin-und Hergerissensein zwischen Vater und Mutter, die Unmöglichkeit, mit einem der beiden Elternteile leben und am Ende doch nicht ohne sie sein zu können, der Stress und die zum Teil handfesten Streitereien mit der neuen Freundin des Vaters — das alles hat Michelle derart zugesetzt, dass sie am Ende nur noch physisch, aber nicht mehr mit den Gedanken in der Schule war und nichts mehr lernte.
Sie sei dann irgendwann ganz weggeblieben, habe ihre Tage mit Drogen, Alkohol und Spielerei auf dem Handy vertan, erzählt die junge Frau freimütig. Als nichts mehr half, half erst ihre Schule und dann das Jugendamt. Es vermittelte sie in eine Wohngruppe und eine Betreuerin habe ihr dann die Teilnahme am Zündstoff-Projekt vorgeschlagen. „Das war eine gute Entscheidung“, sagt Michelle rückblickend, und ergänzt: „Wenn ich heute Jugendliche treffe, die auf nichts mehr Bock haben, würde ich ihnen Zündstoff empfehlen.“ So vorbildlich wie bei Michelle läuft es nicht bei allen Zündstoff-Teilnehmern, weiß Fachbereichsleiterin Karin Tost vom SKFM. „Wir haben eine Vermittlungsquote von 80 Prozent“, berichtet sie. Vermittlung bedeutet in diesem Fall: Rückführung der Jugendlichen an die Schule, das ist das oberste Ziel des Projekts. Oder eben, je nach Alter, Vermittlung in eine Ausbildung.
Die meisten Jugendlichen würden dem SKFM aus den Klassen sieben und acht vermittelt. „Die haben eine Krise und gehen dann meist schnell wieder zurück“, sagt Tost. Zwei bis vier Monate blieben sie im Schnitt, manchmal auch bis zu eineinhalb Jahre. Bei Michelle sind es jetzt acht Monate. Ihr Ziel: „Ich möchte es bis zur zehnten Klasse schaffen, am liebsten bis zu einem 10b-Realschulabschluss.“