Wo der Vampir von Düsseldorf seine Morde beging
Der Buchautor Hanno Parmentier folgt den Spuren von Peter Kürten, der im Neandertal eines seiner Opfer tötete.
Erkrath. Der Gerresheimer Autor Hanno Parmentier folgte den Spuren des Düssseldorfer Serienmörders Peter Kürten bis nach Erkrath, wo Kürten in der Nähe von Gut Papendelle eines seiner Opfer tötete und begrub. Im Interview spricht er über Irritationen und Faszination bei der Begegnung mit einem Psychopathen.
Herr Parmentier, Sie haben kürzlich einen Ausflug nach Erkrath gemacht, um dort den Spuren des Serienmörders Peter Kürten zu folgen. Wie kommt man auf so eine Idee?
Hanno Parmentier: Der Tatort, den ich aufgesucht habe und der heute in Erkrath liegt, ist einfach magisch — ich war deshalb schon oft da. Es ist die einzige Stelle, die noch wirklich weitgehend so aussieht wie 1929, als die Mordtaten geschahen. Ich sehe dann einfach alles wieder, was damals geschah und suche gleichzeitig noch immer nach weiteren Details. Ich will einfach alles wissen. Aber noch gibt es so viele dunkle Stellen und ich werde wohl nie alles herausfinden.
Kürten ist ja mit seinem späteren Opfer Maria Hahn von Lokal zu Lokal gewandert. Sie haben diese Orte besucht, um sich hineinzudenken in die Choreographie eines Verbrechens. Was kommt einem dabei so in den Sinn?
Parmentier: Ganz viel. Ich bin den ganzen Weg schon einmal selbst gegangen und war hinterher ganz schön fertig. Also die Fußwege, die die damals gemacht haben...! Aber dann stelle ich mir auch vor, was wohl im Kopf Kürtens vor sich gegangen sein mag: Neun Stunden geht er mit seinem Opfer spazieren, als ob nichts wäre, hat am Ende sogar Geschlechtsverkehr mit der Maria Hahn, was wohl auch ihr gefällt. Und dann ist sie in Minutenschnelle tot. Wie kann man so etwas machen?
Wie kommt man dazu, sich mit den Irrungen und Wirrungen eines Serienmörders zu befassen?
Parmentier: Wissen Sie, die Morde selbst haben nie sonderlich mein Interesse geweckt — in meinem Buch spielen sie deshalb eine eher geringe Rolle. Mich hat von jeher etwas Anderes interessiert. Ich wollte herausfinden, wo eigentlich der berühmte Serienmörder Kürten sich denn tatsächlich bewegt hat. Er hat ja die Morde nicht über den Wolken oder in einem Film vollbracht, sondern auf ebener Erde. Aber wo eben? Also die ganze Geschichte auf die platte Erde herunterholen. Und dann habe ich ja eher aus Zufall erfahren, dass die ganzen Polizei- und Gerichtsakten in Düsseldorf lagen. Als ich das erste Mal darin blättern durfte, war es um mich geschehen. Und damit bin ich noch lange nicht fertig. Da liegen 222 Ordner, die bearbeitet werden wollen.
Wird es bei einem solchen Unterfangen nicht zuweilen ziemlich düster in der eigenen Seele, weil man tief eintaucht in den Schatten eines Menschen?
Parmentier: Nein, eigentlich nicht. Die Neugierde überwiegt. Und die Entdeckerfreude — es ist ja ein Puzzle, bei dem es noch immer Etwas zu entdecken gibt. Der Mann hat ja nicht Buch geführt über sein Leben.
Baut man womöglich sogar Nähe auf zu jemandem wie Kürten, der ja im Grunde ein Doppelleben geführt hat?
Parmentier Das schon eher. Ich unterhalte mich häufig mit ihm, wenn ich in Düsseldorf unterwegs bin. (Lacht) Ich rekapituliere dann, was dort, wo wir gerade sind, genau passiert ist — und er staunt jedes Mal, wie viel ich darüber weiß. Na ja, ganz so spaßig ist das natürlich nicht. Wie Sie schon sagten: Er ist mir hin und wieder ganz schön auf den Fersen. Manchmal, wenn ich über den Akten sitze, drehe ich mich um, ob er nicht gerade hinter mir steht.
Ist Kürten für Sie eigentlich ein Psychopath?
Parmentier: Das ist schwer zu beantworten. Laut Definition ist ja jemand ein Psychopath, dem jegliche Empathie fehlt, der andererseits aber unglaublich charmant sein kann, um mit Menschen leicht, wenn auch oberflächliche Beziehungen anzuknüpfen. Das alles hat Kürten ohne Zweifel.
Womöglich ist unser aller Leben eine psychische Gratwanderung — begleitet von der Gefahr, ins Dunkle abzudriften?
Parmentier: Das mag wohl sein. Ich werde Ihnen meine Schattenseiten jetzt lieber nicht gestehen, aber ich weiß zu gut, dass es die gibt. Ob das allerdings genügt, um — wie Kürten — neun Menschen umzubringen und dasselbe bei 20 oder 30 weiteren Menschen zu versuchen, weiß ich nicht. Andererseits: Der Film über Fritz Lang, der gerade in den Kinos läuft, geht ja genau von dieser Annahme aus.