Zehn Tage lang reines Schaffen
Künstler Werner Rutz öffnet bis zum 6. Januar sein Atelier im Kunsthaus Erkrath. Besucher schauen ihm über die Schulter.
Erkrath. Es ist im Kunsthaus zur guten Tradition geworden, dass der schmucke Klassenraum dieser ehemaligen Millrather Schule zwischen zwei Jahren einem Vereinsmitglied zur freien Entfaltung offen steht. Diesmal ist Werner Rutz der glückliche Kreative, auf den die Münze fiel. Mit „Il Decamerone“ (dem Zehn-Tage-Werk von Giovanni Boccaccio) erhob Rutz ein mächtiges Stück der Weltliteratur zum Leitmotiv.
Werner Rutz, Künstler
Inhaltlich inspirierte ihn diese Geschichtensammlung weniger, aber dessen strukturelle Vorgabe von zehn Tagen des reinen Schaffens hat er übernommen. Der Künstler erklärte dazu: „Ich will sehr viel Verschiedenes machen in der Zeit und bin selber gespannt, was ich aus mir raushole.“ Dafür hat er drei Schwerpunkte gesetzt. Zunächst wären da als besondere Spezialität die Buntstiftbilder, von Rutz „BuStiBis“ genannt: „Die entstehen meistens für mich oder für Bekannte. Da setze ich Sachen um, die mich und die Personen betreffen.“ Auf diese Weise entstehen hochpersönliche Werkstücke.
Eine Herausforderung beim zweiten Schwerpunkt, der grafischen Radierung, ist, dass Rutz ohne eigene Tiefdruckpresse auskommen muss. Für die Erstellung ist eine Presse aber zwingend erforderlich: „Ich gehe dann immer zu anderen.“ Auf Pinnwänden wird er einige Kostproben aus den Druckserien präsentieren.
Den dritten Schwerpunkt bilden Bleistiftzeichnungen. Unverkennbar den Rutz’schen Fingern entstammen jene Bilder, denen die Schrift die Form gibt, etwa durch zwei gegenläufige Kreise. Aus diesem Zyklus sollen in den kommenden Tagen zwei weitere Exemplare entstehen.
Kunsthaus-Koordinator Wolfgang Sendermann trieb ihn motivierend an: „Das musst Du alles bringen!“ Im Verfahren des Linoldrucks wird gar eine komplette Serie namens „Zwischen Leitz und Elba“ kreiert. Deren Gestaltungsobjekte werden die für Amtsstuben so typischen grauschwarzen Aktenordner sein. Dabei werden die Erfahrungen des beruflichen Daseins von Rutz, der als Beamter der Stadtverwaltung tätig war, einfließen. Die sonst so öde Bürokratie wird dann mit Heinzelwesen bevölkert.
Griffbereit wird auch Rutzs Aquarellfarbkasten stehen. Abwechslung ist ohnehin das Credo dieses Schaffensmarathons: „Ich möchte jeden Tag etwas machen und auch in den sieben Stunden nicht nur bei einer Sache bleiben. Sonst ermüdet man zu schnell.“
Figürliches Zeichnen oder auch Aktzeichnen — so Rutzs Erfahrung — erfordert hohe Konzentration, die über lange Zeiträume schwer aufrecht zu erhalten sei.
Gegen die ausufernde Formatgröße des Kunstmarktes stellt sich Rutz mit feiner Kleinheit quer. Seine Stücke lassen sich besser in Zentimetern als in Metern messen: „Es ist ein Riesenmanko, dass groß oft mit bedeutend gleichgesetzt wird.“
Rutz berichtet von einem vorbildlichen Einflussgeber. Während seines Abiturs in Stuttgart hieß sein Kunstlehrer Moritz Baumgartl, der in späteren Jahren zu Malerruhm kam. Durch ihn wurde Rutz in der Formatfrage geprägt. Seine ersten Zeichenversuche veredelte er mit jenen winzigen Blechrahmen, die früher in fast jedem Wohnzimmer die Familienfotos umschlossen.