Firma Scemtec entwickelt elektronische Beschützer
Die Firma Scemtec in Velbert entwickelt Schutzsysteme — für alte Menschen ebenso wie für verschüttete Bergleute.
Velbert. Er ist so eine Art Magdalena Neuner der Vermessungstechniker. Wie auch Deutschlands beste Biathletin waren für einen Mann wie Martin Reich die Herausforderungen erschöpft, nachdem er den Eurotunnel unter dem Ärmelkanal und die Transrapid-Strecke vermessen hatte.
Allerdings bewegte sich der Kontostand des heute 46-Jährigen vor 15 Jahren noch nicht auf dem Niveau der Sportlerin, die ihre Karriere beenden kann, ohne je wieder arbeiten zu müssen. Für Reich hingegen war Dolce vita keine echte Alternative zur Unterhaltssicherung. Das Geld wollte verdient werden.
Dieser Herausforderung stellte sich Reich derart erfolgreich, dass er heute davon spricht, mit seiner Firma Scemtec „einen Umsatz zu erzielen, der ausreicht, um zu expandieren“. Reich — ein Name wird Programm.
Seine Gewinne, ohne die der beste Umsatz wenig bringt, erwirtschaftet der Unternehmer, der 1996 als Ein-Mann-Betrieb für Sondermaschinenbau begonnen hat, heute zweigleisig: Da sind auf der einen Seite komplexe Schutzsysteme, die unter anderem im Bergbau in den USA und in Australien unter Tage bei einem Unglück helfen, Verschüttete zu bergen — und da sind kleine, unscheinbare Kästchen, in denen die technische Wunderwelt verborgen ist, die Menschen Selbstständigkeit schafft.
„Das ist ein Hausnotrufsystem“, sagt Ingeburg Kamenz, bei Scemtec auch für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, schlicht. Dass seine Erfindung mit den bekannten Systemen, die nach Knopfdruck über Funk Hilfe alarmieren, soviel gemeinsam hat wie Daimlers Reitwagen mit heutigen Rennmotorrädern, betont sie nicht.
Reich: „Die Frage ist doch, ob ich im Notfall überhaupt noch den Knopf drücken kann.“ Außerdem nutzten viele Menschen diese Notrufsysteme, die als Armband oder um den Hals getragen werden nicht, „weil der Knopf stigmatisiert“.
„Loc Sens“, so der Name des Hausnotrufes made in Velbert, kommt ohne Knopf aus. „Ich muss den Notruf nicht selbst auslösen — das funktioniert wie ein Airbag“, sagt Kamenz. In der Wohnung der Kunden werden Sensoren installiert, die Bewegung, Licht und Temperatur registrieren. Die schicken ihre Daten weiter an einen Rechner. „Wichtig ist, dass es keine Kameras gibt. Die Daten bleiben zudem in der Wohnung“, sagt Kamenz. „Die Menschen werden nicht überwacht.“
Eingestellt wird „Loc Sens“ auf ein spezifisches Profil des Nutzers. Steht dieser normalerweise um 8 Uhr auf, hat sich aber bis 9 Uhr noch nicht bewegt, sendet das System wie ein Handy einen Alarm an einen zuvor benannten Personenkreis und an die Zentrale der Firma ADT Security in Ratingen. Deren Notrufzentrale ist rund um die Uhr besetzt. Die Sensoren für Licht und Temperatur ergänzen dieses System.
Noch in diesem Jahr will Reich mehr als 1000 Kunden haben. „Dies sind alte Menschen, aber auch jüngere, die an Epilepsie oder MS leiden“, sagt Ingeburg Kamenz. Menschen also, die ohne das drahtlose Sicherheitsnetz nicht mehr alleine wohnen könnten.
Nach Deutschland soll „Loc Sens“ im kommenden Jahr die Benelux-Staaten und die Schweiz nachhaltig beeindrucken. Und wenn der Firmenchef irgendwann auch in dieser Branche den Gipfel erreicht hat, kann er die dritte Stufe seiner Karriere zünden, die schon ganz nah am Privatisieren ohne Verdienstdruck läge: „Ich kann mir vorstellen, alte US-Autos innen mit modernster Technik auszustatten“, sagt Reich. Eine Kombination, die bei ihm auch System zu haben scheint: Mehr Sein als Schein.