Bürger besichtigen Flüchtlingsheim
Die Unterkunft an der Herderstraße ist bezugsfertig. Das Interesse von Nachbarn und Bürgern an einer Begehung war groß.
Hilden. Ein seltsames Gefühl habe sie beim Rundgang beschlichen, verrät Hilde Stahnke. „Immerhin habe ich hier bis 2008 gearbeitet.“ Von heute an dienen die früheren Räume des Unternehmens von der Linde an der Herderstraße als Unterkunft für bis zu 200 Flüchtlinge im laufenden Asylverfahren. Jetzt konnten sich alle Interessierten aus der Umgebung schon einmal ein Bild davon machen, unter welchen Bedingungen die neuen Nachbarn aus vielen verschiedenen Ländern dort leben werden.
„So in etwa habe ich mir das vorgestellt“, sagt Stahnke nach dem Rundgang. Schließlich habe sie das Leben in einer Gemeinschaftsunterkunft am eigenen Leib erfahren: 1953, nach der Niederschlagung des Volksaufstandes in der DDR, war sie als Kind mit ihrer Familie in die Bundesrepublik gekommen. „Es hat damals zweieinhalb Jahre gedauert, bis wir eine eigene Wohnung hatten“, erinnert sie sich.
Das gleiche Los wartet wohl auch auf die Neuankömmlinge. Weil privater Wohnraum in Hilden knapp ist, werden viele bis zu drei Jahre im Übergangsheim verbringen. Die städtische Flüchtlingsbeauftragte Michaela Neisser und ihre Mitarbeiter führten im Verlauf des Tages insgesamt rund 500 Besucher durch das Haus. Sie zeigten den Gästen einige der insgesamt 31 Zimmer, in denen jeweils vier bis sechs Personen das Nötigste zum Wohnen vorfinden: Etagenbetten, ein Tisch und Spinde. „Es war eine Herausforderung, den Umbau in vier Monaten umzusetzen“, sagt Architekt Werner Buddenberg. Neben der Brandschutzertüchtigung und der technischen Erneuerung erhielt der ehemalige Bürokomplex mehrere Duschräume zur gemeinschaftlichen Nutzung. Im Erdgeschoss gibt es einen großen Speisesaal, nebenan eine zweckmäßig eingerichtete Küche, in der sich die Bewohner ihr eigenes Essen zubereiten können, sowie einen Waschraum.
In einem anderen Trakt des Gebäudes sind künftig die Besonderen Sozialen Dienste der Stadt Hilden, inklusive Seniorenbüro und Rentenberatung, untergebracht — der erhöhte Personalbedarf hatte den Umzug notwendig gemacht. „Die zentrale Beratung wird es allerdings weiterhin im Rathaus geben“, betont Michaela Neisser.
Ein fester Sozialarbeiter und ein Hausmeister werden sich künftig um die Bewohner kümmern, zu denen Familien ebenso wie alleinstehende Männer und Frauen gehören sollen. „Die Mischung verhindert Konflikte“, sagte Neisser. In einem Nebengebäude des Firmenkomplexes sollen künftig unter anderem Sprachkurse von Ehrenamtlern und Hausaufgabenhilfe stattfinden. Ein Engagement in diesen Bereichen gut vorstellen kann sich Anwohnerin Simone Gemein, die sich ebenfalls die Einrichtung anschaute: „Ich könnte zum Beispiel Deutsch-Kenntnisse abfragen oder mich mit Kindern beschäftigen.“
Natürlich hätten einige Anwohner Angst vor Randale, massiven Polizeieinsätzen oder Lärmbelästigung geäußert, erzählt Flüchtlingsbeauftragte Michaela Neisser. Das Unbekannte sorge oft für Verunsicherung. „Doch dann stellen die Nachbarn in der Regel fest, dass die Flüchtlinge normale Menschen sind, die ihre Kinder auch lieben.“