Gute Schule – gutes Lernen Wenn „Elterntaxis“ Kinder gefährden

Serie | Hilden/Haan · Sie möchten ihre Kinder vor den Gefahren im Straßenverkehr beschützen, bringen alle anderen und letztlich auch ihre eigenen aber gerade dadurch in Gefahr: Eltern, die ihre Kinder in die Schule chauffieren. Gegen die sogenannten Elterntaxis haben einige Städte Maßnahmen ergriffen.

Das Problem mit den Elterntaxis nimmt subjektiv empfunden immer mehr zu.

Das Problem mit den Elterntaxis nimmt subjektiv empfunden immer mehr zu.

Foto: dpa/Marijan Murat

Montagmorgen, 7.45 Uhr, Elbseeschule in Hilden: Während viele Kinder zu Fuß gehen, dabei ein bisschen trödeln und auch miteinander quatschen, rauschen an ihnen Dutzende Autos vorbei. Mütter und Väter bringen ihre Kinder in die Schule, manche Familien wohnen keinen Kilometer von der Schule entfernt. Immer wieder kommt es auf der engen Straße direkt vor der Schule zu unschönen Szenen: Die Autofahrer werden ungeduldig, weil sie auf den Gegenverkehr warten müssen. Sie gestikulieren, hupen – erst vor kurzem verlor eine Mutter die Geduld, fuhr mit dem rechten Vorderreifen auf den Bürgersteig und dann an dem entgegenkommenden Auto vorbei. Einige Schüler sprangen vor Schreck in die Einfahrt eines Kindergartens.

Dieses Szenario spielt sich so oder ähnlich jeden Morgen vor beinahe jeder Schule im Kreis Mettmann ab. Elterntaxis haben sich zu einer echten Plage entwickelt. „Manche Eltern möchten ihre Kinder am liebsten bis in den Klassenraum bringen“, sagt Heiner Mies, Chef der Direktion Verkehr bei der Kreispolizei Mettmann. Die Leiterin der Grundschule am Elbsee, Christiane Gierke, bestätigt, dass die Intensität zugenommen hat: „Das Problem besteht aber schon seit mehr als 30 Jahren.“

Es komme immer wieder
zu brenzligen Situationen

Sie und ihre Kollegen appellieren regelmäßig an die Eltern, ihre Kinder zur Schule gehen zu lassen. Denn es kommt immer wieder zu brenzligen Situationen. „Zum Glück sind noch keine Kinder verletzt worden – aber Blechschäden gab es bereits“, so Gierke. Auf ihre Schule gehen rund 20 Kinder, die mehr als zwei Kilometer entfernt wohnen. „In diesem Fall kann ich verstehen, dass sie gebracht werden“, sagt Christiane Gierke. Gleiches gelte für Kinder mit Förderbedarf. „Aber Kindern sollte ein Fußweg von 15-20 Minuten zugetraut werden.“

Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto in die Schule bringen, möchten sie vor den Gefahren im Straßenverkehr schützen. Das ist aber zu kurz gedacht: „Wer sein Kind mit dem Auto zur Schule bringt, erzieht es zur Unselbstständigkeit“, sagt Heiner Mies. „Die Kinder lernen nicht mehr, sich im Straßenverkehr zurechtzufinden.“ Das sei auf lange Frist gesehen sehr schlecht für die Kinder. Der Polizeibeamte appelliert an die Eltern, ihre Kinder zu Fuß gehen zu lassen. Er rät aber auch, kreativ auf Lösungssuche zu gehen. Straßenverkehrsamt und Kreispolizeibehörde haben jetzt einen Flyer zum Thema Elterntaxis entwickelt. Unter dem Motto „Wir wollen gehen“ erklären die Institutionen darin, welche Nachteile sich dadurch ergeben.

Die Stadt Hilden hat nach den Sommerferien eine Aktion gestartet: An „Bye bye Elterntaxi“ nahmen alle dritten und vierten Klassen teil. In den Schulen wurde nachgehalten, wie viele Kinder zu Fuß gegangen sind und wie viele gebracht wurden. Als Preis winkte unter anderem ein Besuch des Phantasialandes. Die Stadt wertet die Aktion als Erfolg: „In weit über der Hälfte der Klassen lag die Anzahl der autofreien Strecken im gesamten Aktionszeitraum über 90 Prozent“, erklärte Hildens Bürgermeister Claus Pommer.

Der Sprecher der Hildener Grundschulen, der Leiter der Wilhelm-Hüls-Schule, Tobias Schmeltzer, zeigt sich ebenfalls zufrieden: „Die Aktion hat einen großen Unterschied gemacht. Gegen 8 Uhr morgens waren rund um die Schulen wesentlich weniger Pkw zu sehen und dafür viele Kinder und Eltern, die zu Fuß oder mit dem Tretroller unterwegs waren. Außerdem waren die Rückmeldungen aus der Schüler- und Elternschaft sehr positiv“. Schmeltzer wünscht sich, dass der Wettbewerb auch langfristig Wirkung zeigt. „Viele Familien haben jetzt die Erfahrung gemacht, dass der Schulweg unmotorisiert möglich und vor allem sicher ist. Im Idealfall konnten ihnen unnötige Sorgen genommen werden.“

Die Stadt Monheim hat sich für eine andere Lösung entschieden, um die Situation vor den Schulen zu entschärfen: Sie richtet Elternhaltestellen ein. Das sind Zonen mit auffälligen Markierungen in Blau und knalligem Gelb zum Beispiel an der Knipprather Straße, versehen mit Schildern „Elternhaltestelle, eingeschränktes Halteverbot“. Ab sofort sind Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto in die Schule bringen, dazu aufgerufen, nur noch diese Hol- und Bringzonen zu nutzen. Sie liegen recht verkehrsgünstig und höchstens 250 Meter von der Schule entfernt. Von dort aus sollen die Kinder dann eigenständig zur Schule gehen. Im ersten Schritt werden derzeit sechs Standorte eingerichtet: An der Krischerstraße für die Lottenschule, Astrid-Lindgren-Schule, Förderzentrum Süd und Grundschule Im Pfingsterfeld, an der Knipprather Straße für die Schulen Lerche und Peter-Ustinov-Gesamtschule, an der Berghausener Straße für die Winrich-von-Kniprode-Schule, an der Lichtenberger Straße und der Kurt-Schumacher Straße für die Eltern der Grundschüler der Hermann-Gmeiner-Schule. 

Noch einen Schritt weiter ist die Stadt Wiesbaden gegangen: Dort haben die Politiker eine „Bannmeile“ rund um alle Schulen beschlossen. Die Kinder müssen in extra eingerichteten Bereichen abgesetzt werden. Wer sich nicht daran hält, riskiert ein Bußgeld.