„Das ist jetzt einer zu viel“
Anwohner haben eine Bürgerinitiative gegründet und sammeln Unterschriften gegen das Gewerbegebiet Backesheide in Oberhaan.
Haan. Als der Stadtentwicklungsausschuss jetzt den Entschluss fasste, eine landwirtschaftlich genutzte Fläche nördlich Backesheide als Gewerbegebiet auszuweisen, „da habe ich gedacht, das ist jetzt einer zu viel“, sagt Dieter Jürgens. Ohnmacht und Unmut waren bei ihm die Auslöser, eine Initiative zu gründen: „Es wird Zeit aufzustehen“, heißt sie, „und nachdem wir drei Tage damit online waren, hatten wir schon 60 Leute, die uns folgen. Das ist eine ganze Menge“, sagt Dieter Jürgens.
Der Beschluss um das Gewerbegebiet nördlich Backesheide ist für den 59-Jährigen ein Beispiel fehlgeleiteter Haaner Politik. „Da kommt ein Investor, und schon gehen wir hin und sagen, wir widmen das Gebiet um. Ob da eine Lagerhalle entsteht, die kaum genutzt wird, oder irgendetwas anderes, das ist egal. Die Öffentlichkeit kann das nicht kontrollieren, sie kennt den Investor ja gar nicht. Da läuft ein Automatismus, der nicht hinterfragt wird. Da werden Sachen beschlossen hinter verschlossenen Türen, und die Bürger müssen dann mit den Konsequenzen leben“, sagt Jürgens.
Der Initiator ist gelernter Erzieher und kümmert sich beruflich um Menschen mit kognitiven Einschränkungen — eine Definition, die den Begriff „geistig behindert“ abgelöst hat. Er ist Sänger der Band „fivesix fiveseven“, Mitorganisator des „Pfingstrausch“ und vielen Haanern bekannt als Mitbegründer des Rockin’ Rooster-Club.
In Charlotte Schmitz hat er eine Mitstreiterin gefunden. Sie hat in Haan den Anstoß für die „Dreck-weg-Spaziergänge“ gegeben. Auch sie ist nicht zufrieden mit der Haaner Politik: „Es wird doch immer nur eingleisig argumentiert“, sagt sie. Sie glaubt, dass ein Gewerbegebiet nördlich Backesheide die Initialzündung geben wird für die Ausweisung weiterer Gewerbeflächen auch auf Solinger Stadtgebiet.
Die Versiegelung der Flächen hätte eine Klimaveränderung für das Ittertal zur Folge — eine Argumentation, derer sich auch die Initiative „Rettet das Ittertal“ bedient. Warum sich also nicht dieser Initiative anschließen? „Weil es uns nicht nur um Backesheide geht“, sagt Dieter Jürgens. „Es passieren viele Dinge in Haan, die man gar nicht nachvollziehen kann.“
Als Beispiel nennt er ein historisches Gebäude in der Innenstadt, das einst als ältestes Haus Haans galt, aber letztlich doch einem Neubauprojekt weichen musste. Damit verliere Haan seinen Charakter — und mehr noch: „Man hat das Gefühl, dass die Innenstadt von Haan ausgesiebt wird. Keiner kann sich mehr die Mieten leisten“, hat Jürgens beobachtet.
Charlotte Schmitz fordert: „Die Öffentlichkeit müsste bei Entscheidungen viel früher eingebunden werden.“ Dass dies Wirkung hat, zeige die aktuelle Diskussion um das sogenannte Sozialticket für Bedürftige: Nachdem sich Protest gegen die Landesregierung regte, wurden die Überlegungen aufgegeben, es abzuschaffen. „Die Leute müssen merken, dass sie eine Macht haben“, sagt Jürgens. Auch das will seine Bürgerinitiative leisten: „Die Leute wollen verstehen, um was es geht. Wir wollen sehen, dass die Leute mehr mitbekommen“ Daher wollen er und seine Mitstreiter bei ihnen wichtigen Themen ihre Stimme erheben.
Aktuell sammeln Jürgens und Schmitz Unterschriften gegen die Umwidmung der landwirtschaftlichen Fläche nördlich Backesheide in ein Gewerbegebiet. Listen liegen in Haaner Geschäften aus. Die Aktion läuft bis zum 10. Dezember. „Wir brauchen 2500 Unterschriften. In einer kleinen Stadt wie Haan dürfte das doch zu leisten sein“, sagen sie zuversichtlich.