Ein Besuch in der Notunterkunft

Obwohl alle zwei Wochen „Bettenwechsel“ ist, sei die Einrichtung sehr ruhig, sagt Jürgen Lenz, der die kommissarische Leitung innehat.

Foto: Olaf Staschik

Haan. Auf dem Boden der Sporthalle Adlerstraße sind „Bereiche“ abmarkiert. In einigen stehen Feldbetten. Darauf sitzen Frauen und schauen spielenden Kindern zu. Um sie herum Tüten und Taschen. „Wir haben zurzeit nur 70 Gäste“, sagt Jürgen Lenz. Deshalb gibt es für alle viel Platz in der Dreifachturnhalle. Auch die Geräuschkulisse ist erträglich.

Über Nacht kamen plötzlich acht neue Gäste dazu. Die Iraker hatten ihre Quartiere in Chemnitz und Leipzig auf eigene Faust verlassen. „Sie fühlten sich dort schlecht behandelt und beklagen ein ausländerfeindliches Klima“, hat Lenz herausgefunden.

Er hat ihnen ein Bett und Essen gegeben. Bleiben können die acht aber nicht. Sachsen, nicht NRW, ist für sie zuständig. Lenz telefoniert mit der Flüchtlingshilfe Dresden, versucht, eine Lösung zu finden: „Ich glaube nicht, dass die freiwillig zurückgehen.“ Viele Flüchtlinge seien untereinander bestens vernetzt.

Bis vor wenigen Wochen war Lenz noch für Statistik und Kreisentwicklung in der Kreisverwaltung im Stab des Landrats zuständig. Jetzt leitet der die Notunterkünfte in Mettmann, Wülfrath und Haan — „vermutlich weil ich eine Katastrophenschutzausbildung habe“. Inzwischen schiebt er einen Berg von 250 Überstunden vor sich her. Den 54-Jährigen scheint so schnell nichts aus der Ruhe zu bringen. In der Sporthalle Adlerstraße warten ausschließlich registrierte Flüchtlinge auf ihre Weiterverteilung.

Das Rote Kreuz betreut sie. Eine Sicherheitsfirma sorgt für Ordnung — rund um die Uhr. Etwa alle zwei Wochen ist „Bettenwechsel“. Regelmäßig lässt sich auch die Polizei sehen. Lenz findet das gut: „Das zeigt unseren Gästen, dass hier kein rechtsfreier Raum ist.“ Einschreiten mussten die Beamten erst zweimal: Einmal ging es um einen Handy-Diebstahl: „Wir haben den potenziellen Handydieb in eine andere Einrichtung verlegt.“ Das zweite Mal hatte ein Mann seine Frau geschlagen: „Er bekam zehn Tage Hausverbot und wurde außerhalb des Kreises untergebracht.“ Haan sei eine „ruhige Notunterkunft“, meint Lenz.

Hinter der Sporthalle ist eine kleine Zeltstadt aufgebaut worden. Es gibt beheizte Zelte zum Essen, zum Beten, für einen Frauentreff. Die Mahlzeiten sind der Höhepunkte des Tages. Freitag gab es Putenbolognese mit Spaghetti — auf Porzellan-Geschirr mit richtigem Besteck. Bei der Ausgabe gibt es kein Gedrängel. „Das sind alles sehr nette Menschen hier“, erzählt Choe Ngiamekong. Der 18-jährige Kameruner jobbt für den Caterer, spricht super Deutsch (neben Englisch und Französisch) und lebt in Hilden. Die Flüchtlinge mögen ihren Tee und Kaffee süß: Fünf Kilo Zucker werden pro Tag verbraucht, berichtet seine Kollegin Petra Ziegener: „Besonders begehrt sind Bananen. Die müssen wir einzeln ausgeben.“ Was Bürgermeister Dr. Bettina Warnecke dazu veranlasst, die Haaner um Obstspenden zu bitten: „Bananen und Clementinen können bei der Security am Eingang abgegeben werden.“

Für den Betrieb der „Nuk“ sind Hauptamtliche zuständig. Ohne die Unterstützung der vielen freiwilligen Helfer von Rotem Kreuz, Technischem Hilfswerk, Feuerwehr, Caritas und anderen Hilfsorganisationen könnten sie aber wenig ausrichten. „Die sind alle hoch motiviert, aber häufig am Limit“, hat Lenz beobachtet. Die allermeisten hätten schließlich noch einen Beruf und könnten von ihren Arbeitgebern nicht endlos freigestellt werden. Die Stadt Haan hat jetzt die Stelle „Leiter Notunterkunft“ ausgeschrieben. Bis Ende Dezember ist ein Nachfolger für Jürgen Lenz gefunden, hofft Bürgermeisterin Bettina Warnecke.