Technologischer Wandel in Hilden Wenn das Produkt aus dem eigenen 3D-Drucker kommt

Hilden · Dass in der Industrie 3D-Drucker zum Einsatz kommen, ist nicht mehr außergewöhnlich. Sehr wohl aber bei kleineren Betrieben. Ein Hildener Hörstudio hat sich ein solches Gerät nun ins Haus geholt. Was sind die Gründe?

Das Hörstudio Schirner fertigt passgenaue Hörgeräte mit einem 3D-Drucker an, Ralph Schirner präsentiert das Ergebnis.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Das mittelalterliche Schloss passt auf die Hand und wiegt nur wenige Gramm. Auffällig ist der Detailreichtum: Der Betrachter erkennt millimeterkleine Zinnen. Sie sind ebenso gut zu erkennen wie das Mauerwerk und die Struktur der Dächer. Das Modell stammt nicht aus den Händen eines besonders fingerfertigen Künstlers, sondern aus einem 3D-Drucker, der in einem Keller in Hilden steht.

Eigentlich produziert das Gerät keine Festungsanlagen, sondern Otoplastiken, also Passstücke für Hörgeräte, die möglichst fest und zugleich bequem im Ohr ihres Besitzers sitzen sollen. Ralph Schirner investierte 20.000 Euro in den 3D-Drucker. Den Kunden bietet sein Meisterbetrieb am Warrington-Platz damit die Möglichkeit, deutlich schneller das von ihnen benötigte Hörgerät tragen zu können und das im besten Fall auch mit spürbar höherem Komfort.

Bisher lief das Verfahren so: Ein Ohr wurde ausgemessen, dann ging der Auftrag raus ans Labor, das erstellte die Otoplastik in der Regel in einem Zeitraum von fünf bis acht Werktagen. Nun ist es möglich, dass Kunden morgens das Hörstudio aufsuchen und noch am selben Tag ihr Gerät tragen können. Da sich der gesamte Produktionsprozess beschleunigt, ist es außerdem möglich, eine alternative Variante zu produzieren, die eventuell besser ins Ohr passt.

Rund um das Jahr 2010 rückte der 3D-Druck stärker ins öffentliche Bewusstsein. Damals kamen die ersten Geräte für den Heimgebrauch auf den Markt. Sie produzierten zwar nach dem selben Prinzip, jedoch weitaus weniger detailreich. Labore verfügten über die teure Technik, aber auch die wurde über die Jahre deutlich günstiger. Ein Gerät wie das Modell des deutschen Herstellers Rapid Shape, das nun im Hildener Hörstudio steht, kostete vor wenigen Jahren noch 50 000 Euro.

Gelernte Zahntechnikerin hat jetzt ein neues Arbeitsfeld

Es ist auch die Deflation, die dazu beiträgt, dass sich unsere Arbeitswelt im Wandel befindet. So werden im IT-Bereich Rechenleistung und Speicherkapazität stetig erhöht, zugleich wird die Technik günstiger. Ein Beispiel: Kostete ein normaler PC im Jahr 1990 vielleicht 2000 D-Mark, so zahlt man heute für ein Standardgerät um die 500 Euro. Arbeitsspeicher, Größe der Festplatte und Rechenleistung haben sich vervielfacht, teilweise um einen Faktor von mehr als 10 000.

„Wir sind ein Handwerksbetrieb“, erklärt Ralph Schirner, und daher sei es selbstverständlich, dass man die Produktion so weit wie möglich ins Haus holen möchte. Am Ende zähle der enorme Geschwindigkeitsvorteil, mit dem der Kunde sein Hörgerät viel eher als früher tragen kann.

Dieses Früher endete mit der Ankunft des 3D-Druckers im Hörstudio im Dezember. In den Wochen danach mussten mehrere Mitarbeiter im Umgang mit dem Gerät geschult werden, unter anderem Niclas Kämmer. Der 22-Jährige ist mit der Bedienung mittlerweile vertraut. Er beschreibt den Prozess so: Zunächst werde ein Rohling vom Gehörgang erstellt, im Anschluss müsse dieser gescannt werden und dann könne der Drucker ein Duplikat aus flüssigem Harz erstellen.

Die Otoplastik wächst Schicht für Schicht an, in dem der Drucker auf jeder Ebene den passenden Bereich mit Harz füllt. Rund 100 Schichten sind es je Zentimeter. Durch ein UV-Verfahren wird der Rohstoff direkt gehärtet, sodass die Plastik nicht außer Form gerät. Damit ist der Prozess jedoch nicht abgeschlossen. Eine Mitarbeiterin, Renate Massong, beseitigt den Sockel der Plastik, entfernt etwaige Unebenheiten und bearbeitet die Oberfläche. Eigentlich ist sie gelernte Zahntechnikerin, doch gerade mit dieser Ausbildung ist sie im Hörstudio genau richtig.

Übrigens: Eigentlich ist im Hörstudio auch schon die Technik vorhanden, das Ohr zu scannen, so dass nicht einmal ein Rohling erstellt werden müsste. Zurzeit lasse sich die Technik aufgrund von Problemen mit der Software allerdings nicht verwenden, verrät Ralph Schirner. Er ist sich sicher, dass sich die Branche weiter wandeln wird, da die Forschung bereits an den Hörgeräten der Zukunft arbeite. Von diesem Wandel kriegen die Kunden vielleicht gar nicht so viel mit, außer, dass sie wesentlich schneller an ihr Hörgerät kommen.