Kunstausstellung in Hilden Venus, Ophelia, Madonna: Wie ein Mann ihre Posen verkörpert

Hilden · In ihrer Ausstellung „Are you a Boy?“ hat Susanne Ristow berühmten Figuren aus Kunst und Popkultur ein neues Antlitz verpasst – mit ihrem Spross als Modell. Am Sonntag ist Vernissage im Kunstraum im Gewerbepark-Süd.

Ausstellung Susanne Ristow - Are You A Boy?

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Was haben die „Venus“ von Sandro Botticelli, „Ophelia“ von John Everett Millais, Schauspielerin Penelope Cruz und Pop-Köngin Madonna gemeinsam? Nun ja, sie sind zweifellos berühmt, blicken ikonisch von Leinwänden oder Postern auf ihre bewundernden Betrachter hinab – und sie sind Frauen. Ab Sonntag wiederum teilen sie sich mit anderen bedeutenden Figuren der Kunst-, Film-, und Popkulturgeschichte den Kunstraum im Hildener Gewerbepark-Süd. Und wie erst beim zweiten Hinsehen deutlich wird, hatten sie dabei gewissermaßen das gleiche – im Übrigen männliche – Double. „Are you a Boy?“ fragt Susanne Ristow folgerichtig in ihrer Ausstellung. Und in der Tat begegnen sich beim Streifzug durch die Kunstgeschichte vermeintlich typisch weibliche und androgyne Posen, in denen der Aspekt der Geschlechtlichkeit zunehmend an Relevanz verliert. So spielen die nachgestellten Motive auch ein wenig mit den Erwartungen des Besuchers und den Eindrücken, die die von einem Mann dargestellten aufreizenden Posen auslösen. Eine „Gender-Trouble-Ausstellung“ erwarte die Gäste aber ausdrücklich nicht, stellt Ristow klar. „Es ging mir nicht darum, Geschlechter gegeneinander auszuspielen.“

Vielmehr verknüpft „Are you a Boy?“ eine Vielzahl von Ideen – und bricht mit manchem Tabu: Zu einen war die Arbeit ein echtes Familienprojekt. Über zwei Jahre hinweg malte Ristow ihren heute 21-jährigen Sohn Konrad B. Bochynek in den zum Teil legendären Haltungen. Lange Zeit habe das Bekenntnis zur Mutterschaft für Künstlerinnen einen Karriereknick bedeutet, weil den Frauen zum Teil unterstellt worden sei, es mit der Kunst nicht ernst genug zu meinen, erklärt dazu Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich im Buch zur Ausstellung.

Gereift sei der Plan für die Mutter-Sohn-Zusammenarbeit gegen Ende der Corona-Pandemie. „In dieser Phase hatte er einfach mehr Zeit“, berichtet Ristow. Bochynek selbst bezeichnet die ungewohnte Arbeit als „Mutprobe“, die er für keine andere Malerin auf sich nehmen würde. Für einige Werke lieferte der Student die Inspiration selbst: „Er ist zum Beispiel ein großer Madonna-Fan“, verrät Susanne Ristow. Bei der Arbeit schoss sie zunächst Fotos und zeichnete Skizzen des vertrauten Modells als Vorlage für die endgültige Ausgestaltung der Werke.

Ebenfalls provokant erscheint wiederum – wie auf dem Gemälde „Frühstück im Grünen“ von Edouard Manet – die Darstellung von Nacktheit. Sie war bekanntlich lange Zeit ohnehin skandalträchtig – und gilt offenbar auch nach der Ära der sexuellen Befreiung vielfach wieder zunehmend als anstößig, wie Ristow mit Blick auf die Zensurpraktiken in sozialen Netzwerken verdeutlicht.

Sehr gespannt auf die Reaktionen der Gäste ist auch Kuratorin Sandra Abend vom Hildener Kulturamt: „Ich liebe es, wie Bildmotive weitergetragen werden und sich fast aus ihrem Ursprung lösen“, erklärt sie. Auch auf ästhetischer Ebene ringen Ristows Bilder den bekannten Vorlagen neue Akzente ab: Mit Öl, dem sie ein Harz beimischte, schuf sie Gemälde voller kräftiger, strahlender Farben. Bei deren Komposition habe sich vieles aus dem Zufall heraus ergeben, erklärt die Düsseldorfer Künstlerin, deren Schwerpunkte ansonsten Zeichnung und Graphik sind. „Ich wollte wissen, was passiert, wenn man mit Öl-Malerei so umgeht“, sagt sie.

Ein markantes Motiv, das sich in die Neufassung der „großen Odaliske“ anstelle eines Federfächers eingeschlichen hat, ist die Form eines Virus. Das steht im Werk Ristows aber weniger für Krankheit, als vielmehr für eine evolutionäre Übertragung von Information, für Kunst, die in Zwischenräume eindringe und gewissermaßen Mutationen schaffe, wie Ristow es ausdrückt. Ein Rahmenprogramm mit Führungen, einem Vortrag und einer Weinprobe begleitet die Ausstellung. Zusätzliche Sponsorenmittel für den Kunstraum angesichts des klammen Stadtsäckels sagte für das laufende Jahr einmal mehr Gewerbepark-Gesellschafter Hans-Jürgen Braun zu. „Der Raum zeigt sich von seiner besten Seite“, resümiert er.

(ari lua)