Hildener erinnern an NS-Opfer

Die Kirchen, die Stadt und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft gedachten am Sonntag des 9. November 1938.

Foto: Olaf Staschik

Hilden. Ob Paul Levin, Betty Schweriner oder Emma und Joseph Krämer — Jeder Einzelne von ihnen ist dem Nationalsozialismus zum Opfer gefallen. In Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht 1938, gab es einen Sternengang durch Hilden. Von verschiedenen Ausgangspunkten waren Interessierte eingeladen an den Stolpersteinen die Geschichten der Opfer zu hören, eine Kerze anzuzünden und Rosen hinzulegen.

Reiner und Rosemarie Bracht nehmen an diesem Gang teil: „Wir sind beide über 70, haben also die letzte Zeit selber mitbekommen. All die Verleugnung, keiner will es gewusst und etwas damit zu tun gehabt haben. Es ist erschreckend“, erzählen die beiden, als sie am Gedenkstein von Betty Schweriner stehen. Betty Schweriner am 6. Mai 1871 in Hilden als Kaufmann geboren. Ihre Eltern Jonas und Juliane Kaufmann waren wohlhabend und angesehen in der Stadt. Im Giebel des Hauses, in der Mittelstraße sieben bis neun, sind die Buchstaben JK noch heute gut zu erkennen.

Nach ihrer Heirat zogen George und Betty Schweriner nach Essen, dort wurde im Jahr 1899 ihre erste Tochter geboren. Schon im Jahr 1901 zog die Familie nach Düsseldorf und dort wurden zwei weitere Töchter geboren (1903 und 1906). Erst wieder 1942 ist die Geschichte bekannt. Am 22. September wurde Betty Schweriner nach Theresienstadt deportiert, die Namen ihres Mannes oder ihrer Töchter finden sich nicht auf den Transportlisten. Am 26. September ging der Weg weiter nach Treblinka. Dort wurde sie wahrscheinlich ermordet.

Für diesen Stolperstein hat das Jugendparlament Hilden die Partnerschaft übernommen. „Es ist eine Tragödie, dass in Hilden prozentual zur Einwohnerzahl die meisten umgekommen sind“, sagt der ehemalige Vorsitzende des Jugendparlaments, Kevin Buchner. Der 22-Jährige ist schockiert darüber, wie viel Hass immer noch gegen Ausländer aufkommt. „Deswegen gehe ich jedes Jahr bei dem Sternengang mit. Ich möchte ein Zeichen setzen, damit so etwas Schreckliches nicht noch einmal vorkommt.“

Nach Auschwitz wurde auch Paul Levin deportiert und am 28. Februar 1943 ermordet. Er war der zweite Sohn seiner Eltern David Levin aus Zwartsluis in den Niederlanden und Theresia Levin, geborene Juhl, aus Meckenheim. Über sein Leben ist nicht viel bekannt, außer dass es der Beruf des Vaters - er war Bürstenfabrikant - mit sich brachte, dass die Familie mehrfach den Wohnort wechselte und schließlich nach der Machtübernahme durch das NS-Regime in die Heimat des Vaters nach Holland ging. Von dort aus wurde die ganze Familie nach der Besetzung des Landes durch die Deutschen nach Auschwitz deportiert und umgebracht. Wenigstens der Name von Paul Levin ist durch den Gedenkstein wieder in seiner Geburtsstadt angekommen.

Vielleicht in Erinnerung an seine ganze Familie. Hannah Longerich, eine Schülerin der Theresienschule Hilden liest ein Gedicht vor und legt eine Rose an den Stolperstein auf der Kirchhofstraße 14. Sie ist eine von 25 Schülerinnen, die mit Lehrerin Isabella Osenberg, den Sternengang begleitet. „Wir in der zehnten Klasse machen einen Vorbereitungskurs für unsere Reise nach Auschwitz im nächsten Jahr“, erzählt die 16-Jährige. Der heutige Gedenktag ist ein Teil, um die Schülerinnen auf ihre Reise vorzubereiten. „Denn Biografien sind das, was die Menschen am meisten bewegt“, sagt Osenberg.