110 Ehrenamtler kümmern sich um Kleidung für Bedürftige Kleiderkammer hat 30 Prozent mehr Kunden

Haan · Bis zu 1300 Kunden im Monat besuchen die Kleiderkammer. Geschäftsführerin Heike Müller und 110 Ehrenamtler kümmern sich um sie. Die Zahl der Bedürftigen hat 2023 enorm zugenommen.

Ehrenamtler wie Sabine Gross-Seidler sortieren die Kleidung und schauen, ob diese verwendet werden kann.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Dass alles einmal so groß werden würde, damit hat Heike Müller nicht gerechnet. Mit rund 50 Kunden im Monat begann die Arbeit der Haaner Kleiderkammer im Jahr 2015. In nur acht Jahren ist die Zahl der Abnehmer enorm gestiegen: „Mittlerweile sind wir bei 1200 bis 1300 Kunden im Monat, wobei einige auch mehrfach im Monat kommen“, berichtet Müller, die seit 2018 Geschäftsführerin der Kleiderkammer ist. „Am allerbesten wäre es natürlich, wenn so etwas wie eine Kleiderkammer gar nicht notwendig wäre“, formuliert sie. „Dennoch ist es gut, dass wir das Wegwerfen guter Kleidung verhindern und umgekehrt Menschen versorgen, die es sich sonst nicht leisten könnten.“

Im Jahr 2023 hat die Zahl der Kleiderkammer-Kunden um 30 Prozent zugenommen – eine enorme Steigerung. Gründe dafür seien einerseits höhere Zahlen Geflüchteter und andererseits die allgemeine Teuerungsrate. „Es gibt ja eine gesetzlich vorgeschriebene Grenze, unterhalb derer man berechtigt ist, unser Angebot wahrzunehmen“, erklärt Heike Müller. „Eigentlich ist heutzutage fast jeder, der in Teilzeit arbeitet, Rente bezieht oder im Einzelhandel nicht so hohen Lohn bezieht, berechtigt“, bedauert sie, dass so viele Menschen sich ihren Lebensunterhalt nicht selbst verdienen können. Eine Person gilt dann als hilfebedürftig, wenn ihre Bezüge nicht höher sind als das Vierfache (bei Ehe-/Lebenspartnern) oder Fünffache (Alleinstehende, Alleinerziehende) des Regelsatzes der Sozialhilfe.

Positiv an der hohen Zunahme der Kunden sei: „Wir sind mittlerweile so bekannt, dass unser Angebot sehr gut genutzt wird.“ Außerdem käme hinzu: „Das Angebot der Kleiderkammer wird mittlerweile nicht mehr hinter vorgehaltener Hand angenommen, wie es noch vor einigen Jahren war.“ Kamen Bedürftige früher oft noch etwas schambehaftet in die Räume an der Friedrich-Ebert-Straße, gehen viele heute offener mit dem Thema um, was auch an der stärkeren Wahrnehmung des Themas  Bedürftigkeit in der Öffentlichkeit liegt.

110 Ehrenamtler helfen
in der Einrichtung

110 Ehrenamtler kümmern sich neben der hauptamtlich beschäftigten Heike Müller sowie einer Reinigungskraft um die Kleiderkammer. „Sie sind der Motor unserer Arbeit, ohne sie würde das alles nicht funktionieren“, betont Heike Müller. Die erste Station der Ehrenamtler ist die Spendenannahme. An einem großen Rolltor können Spender zu den Öffnungszeiten der Kleiderkammer ihre Spenden abgeben.

Dort findet eine erste Grobsortierung statt, außerdem wird die Kleidung auf Bügel gehängt. Bei der zweiten Station handelt es sich um die Feinsortierung, bei der die Waren beispielsweise mit Größen versehen werden. Außerdem helfen Ehrenamtler als Kassierer, Verkäuferinnen und in der Fahrradwerkstatt, in der vier Männer sich einmal wöchentlich treffen, um gespendete Fahrräder zu reparieren.

An Spenden gebraucht werden derzeit vor allem Haushaltstextilien wie Bettwäsche sowie Töpfe und Gläser, immer aber auch Kleidung, im Moment vor allem für Jugendliche in den Größen 146 bis 164 und dabei speziell für Jungen. Immer gefragt seien aber auch Herrensachen, außerdem Schuhe sowohl für Kinder als auch für Damen und Herren.

In den Räumen der Kleiderkammer, einem ehemaligen Ladenlokal, sieht es auch heute bewusst aus wie in einem ganz normalen Geschäft. Die Kunden kaufen hier ein, wenn auch für geringe Beträge. „Das teuerste wäre einer Winterjacke für fünf Euro“, erklärt Heike Müller.

Zum einen gäben die Preise den Dingen eine andere Wertigkeit und den Kunden somit ein besseres Gefühl, als etwas geschenkt zu bekommen, zum anderen müssen Einnahmen sein, da die Kleiderkammer, die als gemeinnützige GmbH selbstständig agiert, sich selbst finanziert und beispielsweise durch eine recht hohe Miete auch viele Ausgaben hat. „Das können je nach Monat auch schon einmal 5000 oder 6000 Euro sein“, erklärt die Geschäftsführerin.

Sie selbst erlebt ihre Arbeit als äußerst befriedigend. Eigentlich hat sie beruflich etwas anderes gemacht, hatte aber schon immer eine Affinität zur sozialen Arbeit und zu nachhaltigem Leben und arbeitet heute mit vollem Herzen als Geschäftsführerin.

Besonderen Dank möchte Heike Müller den Ehrenamtlern der Kleiderkammer dafür aussprechen, dass sie über die Corona-Zeit nicht abgesprungen sind. „Diese Zeit hat uns enorm gebeutelt, aber die Zahl der Ehrenamtler ist gleich geblieben, die Tendenz heute sogar eher steigend.“ Heike Müller und das Team der Kleiderkammer blicken in Dankbarkeit und Freude auf das nahende Weihnachtsfest und zurück auf das Jahr 2023. „Wir sind unendlich dankbar für die zahlreichen Spenden, die uns erst ermöglicht haben, bedürftigen Menschen zu helfen.“

Die mehr als 30 Prozent mehr Kundenkontakte im Vergleich zum Vorjahr bestätige das Handeln der Aktiven und motiviere alle, auch in 2024 wieder für die Menschen da zu sein, denen es nicht so gut geht.