Haan War Kandidaten-Prüfung ungenau?

Haan. · Hat ein Ratsmitglied ein falschen Wohnsitz bei der Zulassung zur Kommunalwahl angegeben? Darüber wird in Haan zurzeit heftig diskutiert – vor allem über die Art und Weise, wie die Stadt mit dem (anonymen) Vorwurf umgeht.

 Engin Alparslan ist Erster Beigeordneter der Stadt Haan und derzeit amtierender Wahlleiter.

Engin Alparslan ist Erster Beigeordneter der Stadt Haan und derzeit amtierender Wahlleiter.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Wer in Haan am 13. September in den Stadtrat gewählt werden möchte, muss auch in der Stadt wohnen. So will es das Gesetz. Genau in diesem Punkt soll ein Ratsbewerber allerdings „geschummelt“ haben. Doch wie soll die Stadt mit der anonymen Anzeige umgehen? Darüber wird zurzeit heftig gestritten: Im Zentrum der Kritik steht der Wahlleiter und Erste Beigeordnete der Stadt Haan, Engin Alparslan.

Der Reihe nach: Wer als Kandidatin oder Kandidat zur Kommunalwahl zugelassen werden darf, regelt der Wahlausschuss. Der tagte in Haan in der Vorwoche. Dabei berichtete Ordnungs- und Wahlamtsleiter Michael Rennert, am Morgen der Sitzung sei eine anonyme Anzeige gegen eine Person eingegangen, die für den Stadtrat kandidiere, aber angeblich gar nicht in Haan wohne. Man habe den Vorwurf geprüft, nicht zuletzt in der Kürze der Zeit aber nicht bestätigt gefunden. Vielmehr sprächen die gefundenen Indizien, „aktuell dafür, dass die besagte Person ihren Lebensmittelpunkt tatsächlich in Haan hat“, sagte Rennert. Folge: Der Ausschuss winkte die Bewerbung einstimmig durch.

Damit ist das Kapitel für Wahlleiter Alparslan ganz offensichtlich beendet. Er ließ jetzt auf Anfrage wissen: „Beschwerden gegen diese Entscheidung wurden nicht eingelegt.“ Auch der Kreis Mettmann als Aufsichtsbehörde habe „in Kenntnis der anonymen Behauptungen“ nichts zu beanstanden gehabt: „Damit ist das Zulassungsverfahren abgeschlossen“, sagt der Beigeordnete und betont: „Daher werde ich unter dem Gebot eines rechtmäßigen, fairen Wahlverfahrens insbesondere zu nichtamtlichen Äußerungen Dritter keine weiteren Auskünfte erteilen.“ Punkt.

Der Redaktion liegt die Anzeige vor – und sie böte durchaus konkrete Hinweise für weitere Nachprüfungen. Sie bezieht sich nämlich auf ein bereits amtierendes Mitglied des Stadtrats und enthält unter anderem einen Handelsregisterauszug aus dem Jahr 2016, demzufolge die Person zum damaligen Zeitpunkt in einer anderen Stadt wohnte, also zumindest aktuell auch nicht im Rat sitzen dürfte. Ferner heißt es in dem Schreiben, besagte Person wohne immer noch mit ihrer Familie in einem Einfamilienhaus im Gebiet der anderen Stadt. Die angegebene Haaner Adresse gehöre einer nahen Verwandten. Jede Menge Ansatzpunkte für einen intensiven Datenabgleich.

Doch auch eine Nachfrage beim Kreis Mettmann brachte lediglich die Antwort: „Aufgrund des durch das Wahlamt der Stadt ermittelten Sachverhaltes bestanden keine Zweifel an der Richtigkeit der ausgestellten Wählbarkeitsbescheinigung.“ Immerhin hätten die Politiker ja auch beantragen können, einen Blick in die Akten zu werfen: Aber, so betont die Kreisverwaltung: „Das Akteneinsichtsrecht wurde nicht wahrgenommen.“

Akteneinsicht beantragt hat jetzt die Wählergemeinschaft Lebenswertes Haan (WLH). Die wirft dem städtischen Wahlleiter eine regelrechte „Hinhaltetaktik“ vor. „Seit dem 30. Juli, 8.58 Uhr – also einen Tag nach der Sitzung des Wahlausschusses, fordere ich nun bereits den Inhalt der anonymen Anzeige an“, sagt WLH-Fraktionschefin Meike Lukat: „Und Sie weigern sich bis jetzt, 4. August, 11.31 Uhr, diesen bekannt zu geben.“ Wäre Alparslan ihrer Anfrage sofort „pflichtgemäß umfassend nachgekommen“, hätte sie gegebenenfalls noch innerhalb der gesetzlich festgelegten Pflicht von drei Tagen fristgerecht Beschwerde einreichen können, argumentiert die ­Politikerin.

Alparslan: Angaben in der
Anzeige sind rufschädigend

Alparslan schrieb jetzt auf Lukats Forderung nach Akteneinsicht zurück, „angesichts der kommunalverfassungsrechtlichen Begründung“ des Antrags habe er Ordnungsamtsleiter Rennert „um Prüfung gebeten“. Dann fügte er hinzu: „Arbeits- und abwesenheitsbedingt ist mit einer Antwort Herrn Rennerts nicht vor Anfang der kommenden Woche zu rechnen.“

Der städtische Beigeordnete hatte in Bezug auf die anonyme Anzeige zuvor bereits unter anderem deutlich gemacht: „Die Angaben in diesem Dokument haben einen rufschädigenden Charakter und erfüllen bei Nichterweislichkeit zumindest den Anfangsverdacht einer Straftat, erst recht wenn sie wider besseren Wissens erfolgt sind.“ Daher werde er die der Anzeige genannte Person nicht nennen. „Angezeigte Verstöße gegen das Melderecht werden von Amts wegen geprüft sowie gegebenenfalls verfolgt und weiteren Stellen mitgeteilt.“

Ist damit die Kandidatur für das Beschuldigte Ratsmitglied in trockenen Tüchern? Der Kölner Politikwissenschaftler Prof. Frank Überall ist kein Verfechter des Prinzips, mutmaßliche Verstöße gegen das Kommunalwahlrecht nur deshalb nicht intensiver zu verfolgen, weil sie anonym erhoben wurden. Im Strafrecht beispielsweise seien die Staatsanwaltschaften längst dazu übergegangen, auch anonymen Hinweisen detailliert nachzugehen.

„Ich weiß natürlich, dass es für ein Gremium wie den Wahlausschuss, der ja wie der Stadtrat zur Zusammenarbeit mit der Stadt gesetzlich verpflichtet ist, alles andere als leicht ist, in der Kürze der Zeit auch noch Verfehlungen zu identifizieren”, sagt der Professor für Kommunikation und Politikwissenschaft, der in Köln und Berlin lehrt und betont: „Das ist in etwa so, als sollten die Frösche den Teich trockenlegen.“ Überall sagt: „Ich würde eine eidesstattliche Versicherung des Mitglieds einholen“.