Laien helfen Bauern beim Anbau
Nicola Herrmann macht mit bei der Solidarischen Landwirtschaft auf Hof Ischebeck. Das Modell hat es ihr angetan.
Haan. Auf den ersten Blick ist nicht zu erahnen, was das einmal für Pflänzchen waren. Nicola Herrmann bückt sich zur Erde. „Das war Feldsalat. Aber der ist schon abgeerntet“, sagt sie. Zu Beginn des Frühjahrs ist auf Hof Ischebeck in Haan noch nicht viel Grün auf Beeten und Feldern zu sehen. Einzig im Gewächshaus, dem „Folientunnel“, wie Herrmann bereits in der Fachsprache berichtet, sprießen die ersten grünen Blättchen aus der Erde. Die 47-Jährige freut sich bereits aufs Gärtnern: „Uns persönlich macht das total viel Spaß.“
Sie weiß, dass sich die Arbeit in gutem Geschmack auszahlen wird: „Wenn man Tomaten im Winter kauft, dann ist das ein himmelweiter Unterschied zu denen, die wir im Sommer geerntet haben.“ Das ist der Kern der Solidarischen Landwirtschaft: Laien helfen Bauern bei Anbau und Pflege von Obst und Gemüse. Für ihren Arbeitseinsatz erhalten sie von allen Feldfrüchten Ernteanteile.
„Letzten Sommer hatten wir total viele Zucchini“, sagt Herrmann. Da ist Fantasie gefragt — was macht man damit? Nicola Herrmann kochte Chutneys oder Zucchini-Bolognese — Gerichte, die selbst die skeptische Familie überzeugten, inklusive der neun, 13 und 14 Jahre alten Kinder. Obst und Gemüse aus regionalem Anbau, mit den eigenen Händen gepflanzt, gepflegt und geerntet, das ist für Nicola Herrmann, Hebamme und Ernährungsberaterin, ein Stück Heimat. „Und für viele, die hier mitmachen, ist das auch eine politische Entscheidung“, sagt sie. Denn die Teilnehmer wollen die örtliche Landwirtschaft unterstützen und das Höfesterben kleinerer Betriebe stoppen. Sie sagen billig produzierten Lebensmitteln den Kampf an und möchten wissen, unter welchen Bedingungen ihre Nahrung auf dem Feld heranwuchs.
Lutz Ischebeck und Daniele Schaefer, Betreiber der Solidarischen Landwirtschaft, sind davon überzeugt: „Die Leute haben viel Spaß bei der Mitarbeit, denn sie können sehen, wie ihr Gemüse wächst und selbst dazu beitragen, eine gute Ernte zu erzielen“, sagt Ischebeck. In einer Solidarischen Landwirtschaft unterstützt eine Mitgliedergruppe einen Gemüseanbaubetrieb, „so dass dieser Planungssicherheit für sein Anbaujahr erhält“, erläutert Ischebeck. Dafür sind die Mitglieder auch bereit, lange in der Küche zu stehen.
Denn all das, was die Haushalte je nach Saison in großen Mengen erreicht, muss für den Winter gewaschen, geputzt, eingefroren oder eingekocht werden. Das ist Leben mit den Jahreszeiten — auch das bringt die Teilnehmer zurück zur Natur, zurück zu den Wurzeln. Bedeutet das für emanzipierte Frauen nicht die Rückkehr zu Heim und Herd? Nicola Herrmann denkt nach. „Mir ist aber auch die Ernährungssouveränität sehr wichtig“, sagt sie. „Klar verbringe ich auch wieder mehr Zeit in meiner Küche, aber ich denke, es ist auch ganz wichtig, seine Kinder vernünftig zu ernähren und zu schulen“, sagt sie. Dazu gehört auch, dass die Familie neue Kräuter- und Gemüsesorten entdeckt — Postelein zum Beispiel. Davon ist Nicola Herrmann ganz begeistert. „Es ist toll, auch mal was Neues in der Gemüsekiste zu haben.“
Für die Mitglieder beginnt nun langsam wieder die arbeitsreiche Zeit am Hof. Setzlinge müssen in die Erde und gewässert, der Boden für die Saat vorbereitet werden. Die Arbeit an der frischen Luft, der Duft der Erde, die Vorfreude auf die Ernte — hier lässt sich Heimat sinnlich erfahren. Für Nicola Herrmann hat das Projekt mehr Lebensqualität eingebracht. „Man muss bei seiner Ernährung einfach umdenken. Aber ich stecke meine wenige Zeit lieber hier rein als in etwas Sinnloses.“