Säure-Anschlag von Haan Tippgeber ließ sich gut bezahlen
Haan/Wuppertal · Im Prozess um das Attentat auf den ehemaligen Innogy-Manager ging es jetzt um den Mann, der die Ermittler auf die richtige Fährte führte.
Es ist das zweite Mal in diesem Prozess, dass Bernhard Günther dem angeklagten Marco L. gegenübersitzt. Wie es ihm geht, beinahe sechs Jahre nach dem Säureangriff im Haaner Musikantenviertel? „Von außen wirkt das vielleicht anders, aber innen sind schon viele Gefühle lebendig“, sagt der ehemalige Innogy-Manager. Er habe in seinem Job gelernt, einen kühlen Kopf zu bewahren. Das helfe ihm jetzt, nach dem Prozess im Sommer 2022 gegen Nuri T., nun schon zum zweiten Mal das Tatgeschehen in allen Details an sich vorüberziehen zu lassen.
Es ist einer der seltenen Momente, in denen Bernhard Günther am Rande dieses Prozesses über sich selbst spricht. Noch nicht mal in seiner Zeugenaussage hatte er seinem eigenen Befinden viel Raum eingeräumt. Viel wichtiger sei ihm die Verurteilung von Marco L., den er für einen der beiden Täter hält.
Schon im Herbst 2018 hatte Günther den Angeklagten auf Facebook-Fotos identifiziert. Das hatte zur Verhaftung des Kampfsportlers in einer Kölner Sporthalle geführt. Kurz darauf war Marco L. wieder auf freiem Fuß. Man hätte, so die Beschwerdekammer des Landgerichts, damals die Lichtbildvorlage durch die Polizei abwarten müssen. Günthers Dilemma: Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen eingestellt, er aber fühlte sich weiterhin bedroht. Sein Arbeitgeber RWE lobte 100.000 Euro Belohnung für Hinweise aus.
Der Anwalt, der damals am anderen Ende der Hotline saß, sagte nun im Prozess als Zeuge aus. Anfangs habe das Telefon oft geklingelt, so der „Kontaktmann“. Eine Frau habe behauptet, Hinweise auf die Täter aus der Aura lesen zu können. Ein Anrufer habe gesagt, man solle in Indien suchen, dort seien Attentate mit Säure üblich. Es seien auch Leute darunter gewesen, die den „schnellen Euro machen wollten“.
Rund 200 000 Euro
sind geflossen
Und dann sei da jener Mann gewesen, der gleich klargestellt habe: Hinweise gibt’s nur für Geld. Mit ihm hatte sich der Zeuge in einem Hotel in Düsseldorf getroffen. Anfangs habe man schauen wollen, wie glaubhaft der Hinweisgeber sei. Später habe er eine Liste mit 54 Fragen vorgelegt und es sei klar gewesen: „An jeder Information hing ein Preisschild“. 10 000 Euro für den Namen von Marco L. 1000 Euro dafür, dass sich die anonyme Quelle 40 Fotos anschaut, um Mittelsmänner zu identifizieren. Zehn oder elf Treffen habe es gegeben, knapp 200 000 Euro seien an den Hinweisgeber geflossen. Der habe eines unmissverständlich klargestellt: Er wolle keinesfalls identifiziert werden.
Deshalb habe er anfangs auch nur den Namen von Marco L.genannt. Über den verurteilten Nuri T. habe er nur soviel sagen wollen: Der sei Türke, bei dem Säureanschlag habe er sich am Fuß verletzt. Vom Hinweisgeber hatte man damals auch gehört: Nach der Tat soll es Streit gegeben haben, weil die Täter nicht das für den Auftrag bekommen hätten, was ihnen vorher versprochen worden sei. Nuri T. habe sich „verarscht“ gefühlt und die Bezahlung vollends ausgeschlagen. Marco L. soll mit weniger Geld zufrieden gewesen sein. Es sei für beide, so der anonyme Hinweisgeber, die erste Auftragstat in diesem Stil gewesen. Einer habe sich ihm gegenüber „verplappert“, und von dem Säureanschlag erzählt.
Eines sei immer klar gewesen, so der Zeuge: Der anonymen Quelle sei es wichtig gewesen, nicht identifiziert werden zu können. Als bei einem der Treffen im Hotel ein Fingerabdruck des Hinweisgebers versehentlich auf eine Folie gelangte, wurde ihm diese übergeben. Der Verteidiger von Marco L. hakte beim Zeugen nach: Ob man in Erwägung gezogen habe, dass man dem Täter gegenübersitzen könnte? Ja, das habe man. Man habe es sogar für möglich gehalten, dass der Hinweisgeber mit den Tätern „gemeinsame Sache“ machen und den Ermittlungsstand in Erfahrung habe bringen wollen. Beides, so der von Bernhard Günther beauftragte Anwalt, habe man letztlich verworfen. Auch die Möglichkeit, für die Polizei als V-Mann aufzutreten, Zeugenschutz inklusive, hatte der Hinweisgeber abgelehnt. Der Prozess wird fortgesetzt. Am 26. Februar soll das Urteil fallen.