Baumberg: Jürgen Hupperts - Schlichter am Gartenzaun
Jürgen Hupperts (72) ist Schiedsmann. Seit mehr als zwei Jahrzehnten kümmert er sich in Baumberg um den Streit zwischen Nachbarn.
Baumberg. Morgens beim Verlassen des Hauses, abends beim Heimkehren, beim Schneiden der Gartenhecke oder beim Plausch über den Gartenzaun - fast täglich grüßt der Nachbar. Sie können gute Freunde sein, aber auch erbitterte Kontrahenten in einem Rechtsstreit.
Und wenn zwei Nachbarn sich streiten, schlichtet Jürgen Hupperts. Seit mehr als 20Jahren kümmert sich der Schiedsmann nun schon in Baumberg um die kleinen Streitigkeiten des Alltags.
Alle fünf Jahre wählt der Stadtrat zwei Schiedsmänner oder -frauen für Monheim und Baumberg. Als das ehemalige SPD-Ratsmitglied im Dezember 1989 auf Anfrage seiner Parteikollegen kandidierte, wusste er selbst nicht so genau, was auf ihn zukommt:
"Man erzählte mir, dass es darum geht, Streit zu schlichten, und ich dachte, das klingt ganz gut", erinnert sich der heute 72-Jährige und schmunzelt. Am Donnerstag wurde er im Rat für seine Arbeit geehrt und für weitere fünf Jahre gewählt.
Überraschend ist die fünfte Wahl nicht mehr: "Sie ist insofern etwas Besonderes, als dass man über 70Jahre nicht mehr gewählt werden soll", sagt Hupperts. Wer Schiedsmann werden will, braucht keine juristischen Kenntnisse, dafür aber "gesunden Menschenverstand", um Sachlagen richtig beurteilen zu können.
Die Interessengemeinschaft "Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen" (BDS) veranstaltet für ihre Mitglieder aber Aus- und Fortbildungen zur Streitschlichtung. Jürgen Hupperts ist Vorsitzender der Bezirksvereinigung Düsseldorf und als stellvertretender Schriftführer im Bundesvorstand.
"Die Aufgaben in der BDS sind viel zeitaufwändiger als das Amt selbst", erzählt der Ehrenamtler. Im Jahr bearbeitet er etwa 20 Fälle und erhält dafür 1200Euro, von denen er die Hälfte wieder der Stadt zukommen lässt.
Das Schiedsamt ist bei ihm zu Hause. Bei bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in kleineren Strafsachen oder bei sonstigen Fällen, bei denen die streitbaren Ansprüche maximal bei 600 Euro liegen, wendet sich eine Partei an den Schiedsmann, der daraufhin alle Beteiligten lädt.
Bei einer Einigung kann dann ein rechtskräftiger Vergleich geschlossen werden. Der Gang zum Schiedsgericht stellt meist die günstige Alternative zur Gerichtsverhandlung dar.
Am häufigsten sind scheinbare Bagatellen unter Nachbarn, die zu großen Konflikten ausarten. "Das muss man auch ernst nehmen", weiß der routinierte Mediator. In einem seiner ersten Fälle bekriegten sich zwei Nachbarn, indem sie sich über falsch laufende Dachrinnen beschwerten und schließlich Furchen gruben, um das Regenwasser in den benachbarten Keller zu leiten.
"In einer unvorstellbaren Lautstärke musste bei mir innerhalb von zwei Stunden zehn Jahre Vergangenheitsbewältigung stattfinden. Und am Ende hat man sich friedlich vertragen", erzählt Hupperts zufrieden.
Mehr als 60 Prozent der Fälle werden geschlichtet. Gibt es keine Einigung, stellt Hupperts eine Bescheinigung über die Erfolglosigkeit aus, und der Fall geht vor Gericht. Auch Ehefrau Ingrid erinnert sich an einige besondere Fälle: "Einmal rief eine aufgebrachte Frau an, die erzählte, ihr Kind sei von einem Hund gebissen worden.
Die Frage, ob man mit dem Kind schon beim Arzt gewesen war, bejahte sie. Als mein Mann dann nach Hause kam, um den Fall zu schlichten, stellte sich heraus, dass das ’Kind’ ein kleiner Hund war." Neben den eher amüsanten Fällen kann es ab und zu auch mal brenzlig werden. Bei einem Konflikt zweier deutsch-türkischer Ehepaare, der eskaliert war, beantragte Hupperts polizeiliche Unterstützung.
Trotz aller Streitigkeiten mag Jürgen Hupperts seine Aufgabe. "Wenn sich zwei ineinander verhakt haben, und die vertragen sich dann, das ist einfach ein unheimlich schönes Gefühl. Man muss nur versuchen, die Emotionen herunterzufahren." Dann klappt’s auch mit dem Nachbarn.