Frau Knopp, Sie werden, wie schon bei Ihrer ersten Lesung im vorigen November in Monheim, im Wechsel mit Verlagsleiter Alfred Büngen lesen. Warum?
Monheim/Düsseldorf Wenn sich eingesperrte Gefühle ihren Weg bahnen
Düsseldorf/Monheim. · Interview Nachdem Marie-Luise Knopp ihr Buch in Monheim vorgestellt hat, wird sie nun auch in Düsseldorf zu Gast sein.
Es ist mit das Schlimmste, was einer Mutter widerfahren kann: Der Staat nimmt ihr das Kind weg. Die Urdenbacherin Marie-Luise Knopp hat genau dies erlebt: 1973 wurde sie in Leipzig von der Stasi wegen geplanter Republikflucht verhaftet und ein Jahr im berüchtigten DDR-Gefängnis Hoheneck inhaftiert. Ihren damals siebenjährigen Sohn Kai konnte sie erst wieder in die Arme schließen, nachdem die Bundesrepublik die in den Augen der Stasi „rebellische“ junge Lehrerin freigekauft hatte. Am Montag, 2. September, 19 Uhr, liest die heute 77-Jährige im Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstraße 90 (Nähe Hbf) aus ihrem Buch „Eingesperrte Gefühle bahnen sich ihren Weg. Burg Hoheneck und ein Leben danach“ (Geest-Verlag, 2018).
Marie-Luise Knopp: Weil die Erinnerung an die Geschehnisse von damals zum Teil immer noch so aufwühlend für mich sind, dass ich sie phasenweise lieber von jemand anderem vortragen lasse. Alfred Büngen hat das bislang immer sehr gut gemacht, er ist ein einfühlsamer Vorleser. Musikalisch begleiten werden die Lesung wieder Norbert Hambloch (Saxofon) und Udo Hasenbein (Gitarre).
Sie haben Ihr Buch nach Monheim auch in Leverkusen und auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt – und auch im früheren Frauenzuchthaus Hoheneck im Erzgebirge gelesen. Wie war das, an den Ort des Schreckens zurückzukehren?
Knopp: Als ich mit Freunden durch das große Gefängnis-Tor fuhr, bei Schneegestöber, bei ebensolchem Wetter wie im Dezember 1973 bei meiner Verhaftung, wuchs meine Aufregung von Minute zu Minute. Das Herzklopfen wurde stärker, als ich sah, wie sich der Saal füllte, 150 Gäste, Bürgermeister, Historiker, alte Freunde aus Ost und West. An meiner Seite Alfred Büngen, der mir Kraft und Halt gab. Die Lesung sowie die anschließende, nicht enden wollende Diskussion haben mich froh gemacht. Ich fühlte mich befreit, so als hätte ich eine große Last abgeworfen.
Wie haben die Zuhörer bei Ihren Lesungen reagiert?
Knopp: Die Reaktionen waren durchweg positiv. Besonders die jungen Leute wollten nach der Lesung noch viele Fragen beantwortet haben. Manchmal erlebte ich spontane, etwas mitleidige Umarmungen, die mir unangenehm waren, denn Mitleid wollte ich mit dem Buch keinesfalls erregen.
Sind Ihnen auch Menschen begegnet, die das von Ihnen Geschilderte in Abrede stellen oder zu beschönigen versuchen?
Knopp: Ich habe nur zwei kritische Meinungen gehört, in Leipzig auf der Buchmesse: „Also so schlecht, wie Sie es beschrieben haben, ging es uns doch in der ehemaligen DDR nicht.“
Sie arbeiten bereits wieder an einem neuen Buch. Zu welchem Thema?
Knopp: Es befasst sich mit dem Schicksal meiner damals mit mir inhaftierten Freundin Kristel. Nach der Herausgabe von „Eingesperrte Gefühle“ habe ich viele Mails bekommen, auch Anrufe und Briefe. Ehemalige Betroffene bedankten sich. Ich hätte sie ermutigt, sich mit ihrem Schicksal nicht mehr zu verstecken. Ein Betroffener, auch Autor und Vorsitzender der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS), sagte mir, dass ihn Kristels Schicksal sehr berührt habe. Meine Freundin ist leider bereits 2013 gestorben, weil sie die zweieinhalb Jahre Zuchthaus krank gemacht hatten. Nachdem ihre Aufzeichnungen über ihren Bruder zu mir gekommen waren, gab es für mich kein Zögern: Ich betrachte die Aufzeichnungen als ein Vermächtnis. Und so will ich Kristels Wunsch erfüllen und schreibe ihre Geschichte auf, um meiner tapferen Freundin ein Denkmal zu setzen.